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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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er, als ich mich von meinem Platz erhebe. Er beugt sich über mich und gibt mir einen linkischen Begrüßungskuss auf die Wange. »Hoffentlich wartest du noch nicht allzu lang.«
    »Nein, ist schon gut«, sage ich, bemüht, mich von seinem formellen Auftreten nicht niederschmettern zu lassen. Ich möchte doch nur meine Arme um ihn legen, ihm erzählen, wie sehr ich ihn vermisse, aber heute Abend geht es nicht um uns beide. Und das wird auch an keinem anderen Abend der Fall sein.
    »Darf ich dir was zu trinken bringen?«, fragt er und tritt beiseite, um mich vorzulassen.
    Ich kann kaum sprechen, also nicke ich nur stumm, und wir begeben uns in die winzige Bar, die sich hinter einer Tür mit Samtvorhängen am anderen Ende der Lobby befindet.
    »Diese Bar ist so etwas wie ein Insidertipp«, sagt William und versucht ein Lächeln. »Ich ging davon aus, dass dir keine Samstagabendfete vorgeschwebt hat.«
    Nachdem wir Platz genommen und unsere Drinks vor uns haben, setzt er an, sich erneut zu entschuldigen.
    »Bitte lass das, William. Dazu ist alles gesagt.« Da er darauf mit verletzter Miene reagiert, überlege ich zu präzisieren, was ich damit meine, bin mir aber zugleich bewusst, dass ich, wenn ich ihm nicht jetzt sofort alles erzähle, was ich weiß, keine Kraft mehr dafür aufbringen werde. Ich kann nur hoffen, mir dadurch nicht seinen Hass zuzuziehen. »Ich habe einiges über Sally herausgefunden …«
    Als die Worte bei ihm ankommen, wird er blass im Gesicht, und die Schatten unter seinen Augen vertiefen sich. Hoffentlich sieht er mir an, wie gern ich ihn noch immer habe – dass ein Teil meines Herzens, den er für immer in Beschlag genommen hat, im Geiste immer bei ihm sein wird, auch wenn ich ihn auf seinem Weg nicht mehr begleiten kann. Der Teil von mir, der geformt und geprägt und unauslöschlich von der zusammen verbrachten Zeit verändert wurde, deren Intensität die Kürze aufhob. Und das wird auch immer so bleiben, ganz gleich was auch geschehen mag.
    »Sprich nicht weiter.«
    »Es gibt da etwas, das hätte ich dir schon vor langer Zeit sagen sollen, aber da ich nicht wusste, ob es wichtig war, wollte ich dich nicht noch zusätzlich beunruhigen …«
    Ich hole den Chip hervor, lege ihn auf den polierten Tisch aus Palisander und schiebe ihn ihm zu, während ich ihm erzähle, wie ich drangekommen bin. Zügig berichte ich ihm von dem Lagerraum und dem Apartment, gerate dann allerdings ins Schwanken, als ich ihm erzählen muss, was ich dort gefunden habe.
    »Entschuldige, ich brauche einen Schluck Wasser.«
    »Selbstverständlich«, sagt er und winkt den Barmann herbei. Als dieser kommt, sehe ich, dass es William plötzlich die Sprache verschlagen hat, und so bestelle ich es selbst, fast flüsternd. Nachdem der Kellner gegangen ist, lächelt William mich an, doch es fällt ihm offenkundig schwer, und bei seinem Anblick kommen mir die Tränen.
    »Du hättest es mir sagen sollen, Livvy«, sagt er mit belegter Stimme. »Du hättest das nicht auf eigene Faust tun sollen.«
    »Ich mache dir keinen Vorwurf, wenn du mich deswegen hasst …«
    »Das tue ich nicht! Ich könnte dich niemals hassen. Aber du hättest das nicht alles allein machen sollen.«
    »Ich habe versucht, dir zu sagen, dass ich einen Verdacht habe. Sallys und Madelines geheimer Ort, du erinnerst dich?«
    Er wendet sich ab und schluckt. Vermutlich ist er vom Schock noch immer betäubt. Das Schlimmste kommt allerdings erst noch.
    »Das hast du getan, das stimmt. Aber glaube mir, trotz deiner Vermutungen vermag nichts von dem, was du mir sagen kannst, schlimmer sein als das, was ich mir in meiner Vorstellung im Lauf der letzten Monate ausgemalt habe.«
    Ich hole den Terminkalender heraus und lege ihn auf den Tisch, obendrauf das Telefon.
    »Sie kann es dir sagen.«
    »Du hast ihren Terminkalender gefunden?«
    »Richie hatte ihn an sich genommen.« Williams Gesicht fällt zusammen, und in seinen tiefliegenden Augen blitzt Zorn auf. Fast unbewusst bewegt sich meine Hand auf seine zu, doch im letzten Moment ziehe ich sie zurück. Ich muss an das denken, was Richie sagte, was Lola sagte: Ich möchte nicht im Geringsten den Eindruck erwecken, zwei Dinge miteinander zu vermengen. »Es tut mir so leid. Ich habe daran gedacht, es dir nicht zu sagen, aber du hast Besseres verdient als weitere Lügen und Halbwahrheiten.«
    »Wie …«
    »Sie war krank, William. Sie war manisch-depressiv. Ich habe mich kundig gemacht. Wenn man ein Typ 2 ist, kann man damit

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