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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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versuchte, was mir das Kostbarste war.
    Ich hole das Telefon heraus und versuche meine Gedanken zu sammeln, wobei mir auffällt, wie gierig Richie es ansieht. Wie dumm von mir, die Nachrichten nicht vorher an mich geschickt und gesichert zu haben.
    »Wenn ich das hier lese, sieht es ganz danach aus, als hättet ihr beide weggehen wollen.«
    »Nein!«, wehrt er frustriert ab. Er hat das schon mal durchgemacht. »Das habe ich nie gesagt.«
    »Aber sie ging davon aus.«
    »Sally liebte …« , er ballt seine Hände zu Fäusten , »sie liebte das große Drama. Ich würde niemals meine Familie verlassen. Ich liebe meine Kinder.« Das sagt er so, als hätte er für seinen Edelmut einen Orden verdient. »Und William liebt sie.«
    Dass er die Gegenwartsform verwendet, trifft mich bis ins Mark. Da gibt es wirklich keine Hoffnung, so viel steht fest.
    »Hat sie ihn geliebt?«
    »Vermutlich ja«, erwidert er wenig überzeugend. Armer William. »Meine Güte, es ist doch nicht so, dass er mir gleichgültig wäre. Es wäre sein Untergang, wenn er es erfährt.« Er sieht mich an und bohrt noch tiefer in meine Wunde, weil er spürt, wie mich das Ganze aufwühlt. »Ich habe ernsthafte Zweifel daran, dass ich der Erste war, Livvy. Der Schmuck in den Kisten, weswegen er Mara angerufen hat. Den habe ich ihr nicht geschenkt.«
    Mir wird übel. Wie gern würde ich ihm keinen Glauben schenken, aber ich tue es. Vielleicht ist es besser, die Untersuchung wird fortgeführt, und es kommt zu einer unfertigen Lösung, sodass William nichts anderes übrigbleibt, als sich damit abzufinden, ohne all diese schmerzhaften, entsetzlichen Details erfahren zu müssen. Aber ich glaube noch immer an die Kraft der Wahrheit, wie unbequem diese auch sein mag – dann hat man wenigstens ein klares Bild mit allen Details vor Augen. Wie kann er jemals zu trauern aufhören, wenn er im Grunde seines Herzens weiß, dass noch so viele Dinge ungeklärt sind? Und er weiß, dass Sally vor ihm Geheimnisse hatte, das wurde mir an der Art, wie er immer und immer wieder mir gegenüber dichtgemacht hat, deutlich. Richie beobachtet mich genau, wartet auf meine nächste Reaktion.
    »Ich möchte William genauso wenig wehtun wie Sie. Jedenfalls nicht, wenn ich alles weiß … Ich möchte mir kein falsches Bild machen, es nicht schlimmer erscheinen lassen, als es war. Sie haben die Sachen in der Wohnung zusammengepackt, nicht wahr?« Er stimmt mir mit einem schuldbewussten Schulterzucken zu. »Es gibt doch sicherlich ein paar Unterlagen, einen Terminkalender.«
    Er nickt.
    »Wenn Sie mir den überlassen, habe ich alles zusammen. Und ich werde ihm sagen, was Sie mir gesagt haben, dass Sie nicht vorhatten, sie ihm wegzunehmen. Wenn er nur die E-Mails bekommt, wird er das nämlich denken.«
    Und da sehe ich, wie er zusammenzuckt, als ihn die Erkenntnis heimsucht, was tatsächlich das Schlimmste ist. Ich erinnere mich, wie ich ihn auf der Beerdigung erlebt habe, wie abgeschnitten von der Außenwelt er da gewirkt hat, den Blick ins Leere gerichtet.
    »Was war es, Richie? Was hat den Ausschlag gegeben, dass sie durchgedreht ist? Sie hat Ihnen erzählt, dass sie manisch-depressiv ist, nicht wahr?« Er nickt stumm. »Hat sie aufgehört, ihre Medikamente zu nehmen?«
    »Sie hat sie immer wieder mal abgesetzt und behauptet, sie brauche sie nicht. Deshalb sollte er auch nie davon erfahren. Sie wollte nicht glauben, dass sie krank war.«
    Wir sitzen schweigend nebeneinander. Sein Blick ist auf den See gerichtet, und wie schon auf der Beerdigung scheint er abwesend zu sein. Ich merke ihm an, dass er mir gern die Wahrheit sagen würde, aber mit sich ringt, ob er sich mir wirklich anvertrauen soll.
    »Erzählen Sie es mir.«
    »Sie hat mich zu sehr bedrängt.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie war verrückt. Sie hatte alles geplant, sie hat dieses Apartment angemietet, und wie sich herausstellte, hatte sie etwa ab der dritten Woche Sachen in irgendeinem Lagerraum deponiert. Sie hatte sogar meinen Namen in die Papiere geschrieben … ich war nicht damit einverstanden.«
    »Und das sagten Sie ihr?«
    »Ich musste es ihr regelrecht buchstabieren. Und sie drehte völlig durch.«
    Außer Sally habe ich nie einen Menschen kennengelernt, der so wenig damit umgehen konnte, ausgebremst zu werden.
    »War das der Moment, wo sie losfuhr?«
    »Nein«, sagt er mit schwerer Stimme und schüttelt bedächtig seinen Kopf. »Sie nahm mein Telefon und sagte, sie werde Mara anrufen und ihr alles erzählen. Ich

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