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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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warf mich ihr um den Hals. Mein Herzschlag sollte inzwischen wieder zur Normalität zurückgefunden haben, aber offenbar wollte er nicht mitspielen.
    »Deine Mum hat angerufen«, sagte sie. »Herzlichen Glückwunsch!«
    Ich verdrängte die Stimme in meinem Kopf, die mich drängte, ihre Motive einer forensischen Analyse zu unterziehen. Offensichtlich hatte sie begriffen, wie viel James mir bedeutete, und dachte, ich würde mich freuen, ihn hier zu sehen. Damit hatte sie recht. Ich lächelte ihn an. »Du brauchst was zu trinken«, sagte ich unisono mit Sally. Und wir drei sahen uns an und fingen zu lachen an.
    Die eigene Party zu genießen fällt ohnehin schwer, umso mehr, wenn die Liebe deines Lebens und dein momentaner Freund sich in drei Metern Entfernung voneinander befinden. Es war ein Geburtstag, der sich von allen bisherigen unterschied – ich genoss es, dass die Leute mir Drinks spendierten und mir das Gefühl gaben, etwas Besonderes zu sein –, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich Matt nicht in den Mittelpunkt des Geschehens ziehen konnte. Es war ja nicht so, dass wir, wenn wir allein waren, keine schöne Zeit miteinander hatten – wir konnten uns endlos über Bücher unterhalten, die unsere Jugend geprägt hatten, und er erinnerte sich an jedes Detail meines Lebens und gab den stillen Beschützer –, doch irgendwie kam das nicht rüber. Wir standen unbeholfen an der Bar, und unser Gespräch war so gestelzt wie das von ein paar ausländischen Austauschstudenten, die man, nur mit einer Sammlung von Redewendungen bewaffnet, aufeinander losgelassen hatte. James unterhielt sich angeregt mit Sally, deren Finger leicht seinen Arm streiften, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
    »Ich möchte dich James mal richtig vorstellen«, sagte ich, weil ich mir peinlich bewusst war, dass meine Augen immer wieder zu den beiden hinüberschweiften.
    »Du hast ihn nie erwähnt«, tastete Matt sich vor.
    »Habe ich nicht?«
    »Nein.«
    »Tatsächlich? Wir haben gemeinsam unseren Schulabschluss gemacht.«
    Matt ging nicht darauf ein, aber er war kein Narr, und ich fühlte mich ertappt. Offenbar hatte James mitbekommen, dass wir über ihn redeten, denn er wählte diesen Moment, um auf uns zuzugehen.
    »Hi, Kumpel«, sagte er und schüttelte kräftig Matts Hand. »Wie überlebst du das?«
    »Überleben?«
    »Na, das Leben mit der hier«, erklärte er. Dabei spielte ein Lächeln um seine Lippen, das sehr intim klang.
    »Überleben würde ich es nicht nennen«, antwortete Matt, der mich zu verteidigen versuchte, obwohl es gar nicht nötig war. Im Prinzip liebte ich ihn dafür. Wir standen eine gefühlte Ewigkeit so zusammen, drei Statuen, bis Sally in unseren Kreis platzte. Sie packte mich an beiden Händen, scheinbar ohne die Anwesenheit der beiden Jungs zu beachten, doch Nichtbeachtung war bei Sally immer nur eine Pose.
    »Wir brauchen richtige Tanzmusik«, rief sie. »Ich habe ein paar CD s mitgebracht.«
    James räusperte sich theatralisch.
    »Meine Damen«, sagte er, »tretet beiseite und freut euch auf einen musikalischen Hochgenuss.«
    James liebte seine Musik; seine extra für mich zusammengestellten Kassetten gehörten mit zum Ersten, was meine romantische Verblendung schürte, obwohl ich sehr bald dahinterkam, dass diese nichts weiter als eine Ausrede dafür waren, mit seiner für sein Alter sehr vielseitigen Schallplattensammlung anzugeben. Ich weiß noch genau, was er als Erstes auflegte – Modern Love von David Bowie –, und wir hüpften herum und kreischten den Refrain mit, bevor Depeche Mode drankam. Ich hatte nicht gewusst, dass Sally Musik mochte, die auch nur ansatzweise Indie oder Retro war, sie hörte eher das, was in den Charts war, aber es schien ihr zu gefallen und allen anderen auch. Bald schon sprang die ganze Gesellschaft herum, ich wurde immer betrunkener und schwelgte im Taumel. Auch Matt tanzte, doch wir tanzten nicht zusammen, obwohl wir uns nah waren – wir hatten unser Buch mit den Redewendungen wieder verloren. Als es auf Mitternacht zuging, zog er mich beiseite.
    »Bist du mir sehr böse, wenn ich jetzt gehe? Du kannst später noch zu mir kommen, ich darf nur morgen mein Training nicht verpassen.«
    »Natürlich, verstehe«, sagte ich ein wenig überstürzt. Vielleicht huschten meine Augen sogar zurück auf die Tanzfläche. »Ich meine, ich fände es schön, wenn du noch bliebst, aber wenn du gehen musst …« Ich lächelte ihn an und versuchte den Schmerz auf seinem Gesicht zu

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