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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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ist mein Projekt, Olivia, dafür habe ich mir nicht Zeit genommen. Ich sollte Ihnen danken.«
    Endlich bin ich wieder am Auto, wo ich meine Gliedmaßen schüttele, um mich ein wenig abzuregen. Mary hat mir getextet: Haben Sie ihn beeindruckt?, schreibt sie mit einer ganzen Reihe Belohnungsküsschen dahinter. Wenn sie einen zu einem einzigen x verdammt, das schwebend, einsam und ohne Freunde am Ende einer Nachricht steht, kann man sicher sein, eine unaussprechliche Sünde begangen zu haben. Doch etwas sagt mir, dass ich schon bald wieder in dieser speziellen Ödnis angelangt sein werde. Ich denke, es lief ganz gut, antworte ich und lasse dann ebenfalls eine Reihe von x-es los. Mein Blick bleibt daran kleben, weil mich die Angst wieder hinterrücks überfällt – jenes Gefühl, dass die Welt ein gefährlicher und zerbrechlicher Ort ist, das mich verfolgt, seit ich von Sallys Unfalltod erfuhr.
    Warum ich ausgerechnet jetzt befand, dass dies der richtige Zeitpunkt war, noch mal Kontakt zu William aufzunehmen, hätte ich nicht sagen können – es scheint eine Kraft zu geben, die außerhalb meines Selbst existiert. Vielleicht ist es das Wissen, dass auch er sie spüren muss, dass unser Kuss das Albtraumhafte und Surreale der Welt womöglich noch verstärkt hat. Und da möchte ich wenigstens diesen winzigen Teil wieder ins Lot bringen. Weil mir eine dumme, verstümmelte Nachricht dafür ungeeignet scheint, rufe ich ihn stattdessen an.
    »Olivia«, sagt er, und die Verlegenheit ist ihm anzuhören. »Danke, dass du anrufst.«
    »Danke, dass du drangehst.«
    »Ich wollte dich ja anrufen und mich angemessen für mein miserables Benehmen entschuldigen.«
    »Bitte nicht. Keine Entschuldigung, meine ich. Du brauchst dich für nichts zu entschuldigen.«
    »Das ist sehr großzügig von dir, aber natürlich muss ich das.« Steckt etwa mehr dahinter als nur die Unangemessenheit – ist die bloße Vorstellung, mich zu küssen, derart entsetzlich und etwas, das nur in so einer Extremsituation passieren konnte? Als er mich diese wenigen Sekunden lang in den Armen hielt, muss ihm erhellend klar geworden sein, was er für immer verloren hat. Vielleicht hätte ich ihn doch besser nicht angerufen und diesen dummen, gestohlenen Kuss als Stoppschild stehenlassen sollen. »Aber lass uns bitte mal ein oder zwei Minuten nicht von mir sprechen. Wie ist es dir ergangen?«
    Etwas in seiner Stimme schafft es, mich festzunageln, bevor ich unter Ausflüchten das Weite suche. Stattdessen lasse ich den Stress der vergangenen Stunden aus mir heraussprudeln und nutze erleichtert die Chance, etwas aus meinem Berufsalltag zu erzählen.
    »Ein schwieriger Fall, diese Mary«, sagt er, nachdem ich meine Frustration losgeworden bin.
    »Aber sie ist auch brillant«, erwidere ich hitzig. »Und sie hatte recht. Unfassbar, dass ich wieder mal alles vermasselt habe.«
    »Da gibt es kein recht haben, Livvy«, sagt er und schlägt einen sanfteren Ton an. Ich denke, es ist das erste Mal, dass er mich so nennt. »Du hast nur das zu tun versucht, was du für richtig hieltst. Doch mehr Gedanken mache ich mir wegen deiner Textnachricht.«
    Und da löst sich gegen meinen Willen etwas in mir wie bei einer Katze, die sich streckt, wenn man ihr den Bauch kitzelt. Es rührt mich, dass ihm etwas derart Unbedeutendes inmitten von allem anderen am Herzen liegt.
    »Hör zu, ich habe sie noch nicht abgeschickt. Ich … ich wollte dich anrufen«, sage ich und hoffe, dass er aus meiner Stimme nicht etwas heraushört, was nicht da sein sollte. Ich hantiere mit dem Telefon, finde sie unter Entwürfen abgespeichert und lasse mir dann von ihm helfen, etwas zu schreiben, was zwar nicht gelogen ist, aber Mary auch nicht gleich rasend machen wird.
    »Danke«, sage ich, nachdem das erledigt ist. »Und … William, ich kann vergessen, was passiert ist, ich kann sehr gut vergessen. Ich möchte nur nicht, dass du mich nicht mehr anrufst.«
    »Du bist mir in den letzten Monaten eine sehr gute Freundin gewesen«, entgegnet er weich. »Ich verstehe, warum Sally …«
    Er führt den Gedanken nicht zu Ende. Stattdessen wartet er, bis ich das Gefühl habe, das Schweigen füllen zu müssen.
    »Vielleicht können wir mit Madeline wieder mal einen Ausflug machen. Übernächsten Samstag vielleicht?«
    »Da kann ich nicht«, sagt er, und sein Ton wird unvermittelt kalt. O Gott, ich habe das völlig falsch eingeschätzt. Er wollte alles langsam ausklingen lassen, aber ich habe ihn stattdessen beim Wort

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