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Seitensprung ins Glück

Titel: Seitensprung ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary E Mitchell
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wurde.
    Wieder kneife ich die Augen zu, und jetzt driften meine Gedanken zu meinem gutmütigen Riesen von Vater – Querstrich – Großvater. Plötzlich wird mir bewusst, was für ein Glück ich hatte, ihn in all den Jahren meiner Kindheit zu haben. Diese große Hand, die meine zu halten pflegte, wenn wir Straßen überquerten. Sie war so warm! Es kam mir immer vor, als schöbe ich meine Hand in einen Pelzmuff, einen von der Art, wie Jo ihn bei ihren winterlichen Kutschfahrten in Betty und ihre Schwestern trug. Mein Daddy Pulkowski. Und ich als seine kleine Winona Ryder. Und Helen, die nicht darüber sprechen will, was nicht mit ihm stimmt. Plötzlich ergibt es einen Sinn, dass sie diesen lächerlichen Ausflug heute zum Acropolis Diner geplant hat. Sie muss sich immer ablenken, wenn etwas sie beschäftigt.
    »O, Mist«, stöhne ich ins Leere. Dann setze ich mich im Bett auf und angele nach dem Telefon. Natürlich geht Helen dran.
    »Ma«, sage ich, obwohl ich nicht weiß, ob ich diese Anrede noch benutzen soll. »Ich will mit Dad reden.«
    »Ich habe gerade The Swan geschaut. Da war eine Frau, die sah aus wie ein Pferd, und der haben sie ein neues Aussehen verpasst.«
    »Gib mir bitte Dad. Ich will mit ihm sprechen.«
    »Sie hatte wirklich ein Pferdegebiss. Am liebsten hätte ich ihr einen Apfel gegeben.«
    »Gib mir Dad, Mom.«
    »Ich versteh das nicht. Wenn wir beschließen, jeden Menschen auf der Erde in eine Schönheit zu verwandeln, wer sollen dann die Hässlichen sein? Wo ist denn da der Sinn?«
    »Gibst du ihn mir jetzt?«
    »Nur zu deiner Information, Miss Plow, Pulkowski schläft tief und fest.«
    Ich atme tief ein, dann wieder aus. »Dann komme ich rüber und wecke ihn.«
    Der Hörer wird so laut hingeknallt, dass ich fast taub werde. Ich stelle mir vor, dass er mit der Sprechmuschel nach oben auf ihrer Küchenplatte aus Resopal gelandet ist und an die Decke starrt wie ein kleines, verletztes Tier. Ich höre meinen Vater atmen, bevor ich seine Stimme höre.
    »Rosie«, sagt er.
    »Dad. Wie geht es dir?«
    »Gut. Alles in Ordnung?«
    »Deshalb rufe ich dich an. Ist alles in Ordnung mit dir?«
    Wieder sein Atem, wie das Rauschen im Radio. Langsam atmet er ein, gleichmäßig aus.
    »Ich habe ein bisschen Krebs, Kleines.«
    Die Härchen in meinem Nacken kitzeln, als sie sich aufstellen.
    »Was hast du?«
    »An der Prostata. Da haben sie was gefunden. Nur ein bisschen.«
    »Weiß Mom davon?«
    »Reg deine Mutter nicht auf, Kleines.«
    »Weiß sie es?«
    »Sie weiß es.«
    »Ach. Daddy.«
    »Kleines.«
    Er pfeift wie eine Lokomotive, einsam und weit weg.

15
Leben auf der Überholspur
    Als ich einmal krank war – das muss im ersten Jahr nach unserer Hochzeit gewesen sein –, besorgte mir Teddy in einem Imbiss namens »Der koschere Take-away« einen Liter Hühnersuppe mit Matzeklößchen. Es war das Netteste, was ein Mann für eine Frau mit roter Nase, verquollenen Augen und schrecklichem, ungewaschenem Haar tun konnte. Was machte es ihm an jenem Tag Spaß, den Doktor zu spielen! Es war, als hätte er diese Rolle in einem Stück zugeteilt bekommen, und er spielte sie mit großer Begeisterung.
    »Mund auf, Kleines«, hatte er gesagt, die Hand unter mein Kinn gelegt und mir mit dem Löffel das dampfende jüdische Penicillin eingeflößt, als wäre ich ein Kind. Er hatte mich voller Liebe und Mitgefühl angelächelt. Ich hätte nicht sagen können, ob das Schwindelgefühl von ihm oder dem Fieber verursacht wurde. An jenem herrlich verschnupften Tag war Teddy mein Fieber. Wenn ich mir jemals einer Sache im Leben sicher war, dann der, dass er mich in diesem Moment, in diesem Zimmer, auf diesem bazillenverseuchten Bett liebte.
    Seit er die Möbel gestohlen hat, hat er nicht mehr angerufen. Er weiß noch nicht mal, dass seine Schwiegermutter in Wahrheit seine Schwieger-Großmutter ist.
    Ich seufze laut, greife dann nach dem Telefon und wähle die SaveWay-Nummer, entschlossen, zu tun, was in meiner Macht steht.
    »Wie geht es Milton?«
    »Rufen Sie deshalb an?«
    An diesem schrecklichen Montagmorgen gießt es wie aus Kübeln, und Mickey Hamilton wird es mir schwermachen, mich zu entschuldigen. Seit zwei Tagen habe ich das Haus nicht verlassen, seit unserem kleinen Mittagessen. Ich habe noch nicht mal meinen kleinen Protein-Milchshake zu mir genommen. Ich versuche, eine Sache in Ordnung zu bringen, bevor ich ins Büro gehe, und Mickey Hamilton erschien mir die leichteste.
    »Ist das eine nette Art, mich zu

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