Seitensprung ins Glück
reine Formalie. Deshalb war sie auch bei mir im Büro.«
»Schön«, sage ich, spüre aber, dass es überhaupt nicht schön ist. »Auch ich werde Teddy vielleicht bald wiedersehen müssen.«
»Schön«, sagt er und verschränkt nun auch die Arme. Er sieht mich forschend an und sagt dann: »Dabei ist es alles andere als schön, oder?«
So, wie er das sagt, weiß ich, dass wir eine Grenze überschritten haben, etwas Beschwerliches, Ermüdendes ist geschehen, und dass es eine lange Reise werden wird, wieder auf die andere Seite zu gelangen. Ich sehe das so deutlich wie die malvenfarbenen Kissen hinter ihm, und plötzlich tut es mir leid, dass mein guter Mickey als Prügelknabe herhalten musste. »Ich bin im Moment einfach etwas durcheinander«, sage ich zu ihm, um mich zu entschuldigen, doch ich weiß, dass es zu spät ist.
Ich sehe, wie Mickey still wird und sich mit seiner Pranke das Kinn kratzt. »Weißt du was, Rosie?«, sagt er nach einer Weile. »Vielleicht geht das alles zu schnell. Ja, ich glaube, wir sind zu schnell. Also werde ich Folgendes tun. Ich werde jetzt nach Hause fahren. Ich habe eine Menge Arbeit zu erledigen. Ich fahre einfach zu mir und bleibe heute Nacht dort.«
Ein bisschen perplex setze ich mich aufs Sofa. »Du fährst heute Nacht einfach zu dir?«
»Ich denke, das ist das Beste.« – »Wir können nicht mal eine Auseinandersetzung führen, ohne dass du gehst?«
»Der Streit ist nicht der Grund.«
»Was ist, wenn ich mit dir kommen will? Um deine Wohnung zu sehen.«
»Du kannst ein andermal mitkommen.«
»Schön«, sage ich.
»Schön«, stimmt er zu und greift nach seinem Mantel.
»Wann triffst du dich wieder mit deiner Exfrau?«
»Morgen. Im Pasta Café.«
»Arbeitet sie nicht?«
»Wir treffen uns in der Mittagspause.«
»Schön«, sage ich. »Dann fährst du jetzt besser.«
»Schön«, sagt er und versucht nicht, mich zu küssen.
»Gute Nacht«, sage ich zu seinem Rücken, doch er zieht einfach die Tür hinter sich zu. Ich sitze auf dem Sofa, in der Kuhle, die er hinterlassen hat. In der Wohnung ist es so still, dass ich die Heizung rauschen hören kann. Wäre Inga hier, würden wir jetzt eine Packung Häagen-Dazs vertilgen. Doch ich stelle fest, dass ich seltsamerweise gar keinen Hunger habe.
»Warum essen wir heute Mittag denn bei Starbucks?«, fragt Helen um 11 Uhr 59 am nächsten Tag. Wir sitzen an unserem Tisch, einer kleinen, runden Scheibe, umgeben von gut gekleideten Leuten, die an Lattes und doppelten Lattes und Cappuccinos nippen. Die ganze Welt riecht nach Kaffeebohnen, und die Fensterfront ist beschlagen. Doch der Blick aufs Pasta Café ist trotzdem frei. Man kann die Glastüren sehen und wer rein- und rausgeht.
»Warum essen wir heute Mittag bei Starbucks?«, wiederholt Helen.
»Es gibt jede Menge Auswahl hier, Ma.«
»Nennst du mich immer noch Ma?«
Ich zucke die Achseln. »Das warst du doch immer.«
»Gut.« Sie tätschelt meine Hand. »Und jetzt will ich dir etwas erklären. Ich kann woanders ein ganzes Kännchen Kaffee für einen Dollar neunundneunzig bekommen.« Sie stellt ihre große Winterhandtasche auf den Tisch, und die Scheibe verschwindet komplett. »Also erklär du mir bitte, warum ich drei Dollar für einen Becher von diesem Gebräu zahlen sollte?«
Natürlich redet sie mal wieder zu laut. »Ma«, sage ich und versuche, ihr vorzumachen, wie man in Innenräumen spricht (allmählich wird mir klar, warum ich diesen Beruf gewählt habe, warum ich versuche, minderbemittelten Menschen ein normales Sozialverhalten beizubringen), »es gibt ja noch anderes außer dem Kaffee, was du vielleicht probieren möchtest.«
»Das da wäre?« Sie schlägt ihre Beine übereinander, die in Wollhosen mit Bügelfalte und pelzbesetzten Stiefeletten stecken.
»Also«, setze ich an und überfliege die Karte an der Wand. »Hast du schon mal den Chai probiert?«
»Den was? «
»Den Chai.«
»Chai?« Belustigt kneift Helen die Augen zusammen. »Sicher doch. Den nehme ich, und dazu einen von diesen Zitronen-Toffee-Riegeln.« Sie fängt an zu kichern. »Dann habe ich ein wunderbar ausgewogenes Mittagessen.«
Jetzt fängt sie an, schallend zu lachen. Die Leute fangen an, uns über die Ränder ihrer Laptops hinweg unverblümt anzustarren.
Mir wird klar, dass es ein Fehler war, Helen auf diese Überwachungsmission mitzunehmen. Ich hatte mir eingebildet, wir könnten beim Schlürfen eines Costa Ricas die Kluft zwischen uns überbrücken und unsere Beziehung neu
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