Seitensprung ins Glück
anknüpfen, indem wir sozusagen zufällig, aber natürlich geplant, Mickey und Jane »entdecken« würden. Natürlich habe ich Helen nicht verraten, warum wir heute hier sitzen. Es ist wirklich nicht ihre Schuld, wenn sie nicht weiß, dass wir nicht zum Vergnügen hier sind.
Obwohl sie sich anscheinend sehr wohl amüsiert. Auf meine Kosten.
»Ma«, flüstere ich heiser und versuche, ihre Hysterie zu dämpfen. »Es gibt einen Grund, warum wir im Starbucks sitzen.«
»Liegt es etwa an den Schoko-Mango-Crunch-Muffins?«, fragt sie und bricht erneut in Gelächter aus.
»Bitte, Ma, ich wollte dir gerade von der kleinen Überwachungsmission erzählen, auf der wir uns befinden.«
Helen verstummt. Mit wachem Blick sieht sie mich an. »Was für eine Überwachungsmission?«
»Es geht um Ham und seine Exfrau. Sie treffen sich jede Minute im Restaurant gegenüber.«
Helens Lächeln gefriert. Ihr Blick wandert zum nicht beschlagenen Teil der Fensterscheibe.
»Sie haben ihr Haus verkauft, und Mickey muss einige Papiere unterschreiben.«
Helens Mund wird zu einem schmalen Strich.
»Du wirst sie sehen, seine Exfrau! Ist das nicht spannend?«
»Und warum sind wir hier?«, fragt Helen. »Etwa nur, um ihnen nachzuspionieren?«
»Na ja … ja.«
Jetzt runzelt sie ärgerlich die Stirn. »Und glaubst du, dass er seine Frau noch immer liebt?«
»Nein …«
»Siehst du denn nicht, dass er dich liebt, du Idiotin?«
Ich lehne mich abrupt zurück. »Ausgerechnet du willst dich über unser heutiges Treffen mokieren, Ma? Hast du schon vergessen, wie du mich ins Acropolis gelotst hast, um Ham zu treffen?«
»Das war zu deinem Besten, Fräuleinchen! Es hat niemandem wehgetan. Glaubst du wirklich, dass es heute genauso ist, dass es niemanden verletzt, wenn sie uns sehen, wie wir aus dem Fenster starren?« Sie springt auf und schnappt ihre Tasche vom Tisch. »Was hast du vor, Rosie?«, fragt sie. »Versuchst du, die Sache mit Ham zu verpatzen, nur weil ich euch zusammengebracht habe? Oder weil der Kerl dich wirklich liebt … im Gegensatz zu diesem Blödmann Teddy, den du ja unbedingt heiraten musstest?«
Jetzt bin auch ich aufgesprungen. »Da bist du ja genau die Richtige, um mir Vorträge über schlechtes Benehmen zu halten! Findest du nicht auch, Großmutter? «
Helen dreht sich nicht um, um zu antworten. Sie marschiert bereits auf ihren laut klackenden hohen Absätzen zur Tür, und ihr Mantel schwingt wie ein Cape hinter ihrer einen Schulter. Ich bleibe allein zurück und muss nun einen demütigenden Abgang ertragen. Ich schleiche an den erstaunten Gesichtern all der Gaffer vorbei.
Dann renne ich über den Gehweg und versuche, Helen einzuholen. Ich versuche, mich zu beruhigen, indem ich mir sage, dass meine Schützlinge ständig solche Szenen provozieren und dass ich sie danach einfach wieder Platz nehmen lasse und sie frage: Was haben wir heute gelernt? Ich ziehe den Reißverschluss meiner Jacke hoch, um mich gegen die Kälte zu schützen, und denke darüber nach. Doch Helen stürmt volle Kraft voraus über den Gehweg, und kein noch so kleiner Moment der Großartigkeit will sich bei mir einstellen.
20
Putt, putt, putt, schöner Truthahntag!
Mickey hat Wort gehalten und mich boykottiert. Seit unserer kleinen Auseinandersetzung hat er nicht hier übernachtet, und ich habe ihn auch nicht eingeladen. Das geht jetzt fast seit drei Wochen so, und ich kann es kaum fassen, dass ich erneut die Tage zähle, seit ein Mann mich verlassen hat. Ich habe keine Ahnung, wie der Papierkram mit Mickeys Frau gelaufen ist. Ich fange allmählich an, mich an mein übergroßes, leeres Bett zu gewöhnen. Man hat viel Platz darin. Vielleicht ist es genau das, was ich brauche – Platz, um mich zu bewegen, ohne ständig gegen einen Mann zu rempeln.
Helen ist anderer Meinung.
Sie ist außer sich, als sie hört, dass Mickey sich morgens nicht länger in meine malvenfarbenen Handtücher hüllt. Das hat ihr natürlich Marcie verraten. Marcie mit dem großen Herzen und dem großen Plappermaul. Helen hat den Stier bei den Hörnern gepackt und Mickey zum Truthahnessen an Thanksgiving eingeladen.
Jetzt steht dieses wichtige Familienfest vor der Tür; durch mein Schlafzimmerfenster sehe ich den grauen Himmel und den morgendlichen Nieselregen. Ich liege unter der Decke und gehe in Gedanken die zahlreichen Gründe durch, warum der heutige Tag für Mickey und mich peinlich sein wird. Sein dunkelblauer Bademantel hängt noch immer am Haken meiner offenen
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