Seitensprung ins Glück
Badezimmertür. Wie sollen wir uns nur verhalten?, frage ich mich im Bett und starre das Kleidungsstück an. Die hängenden Schultern bleiben unbewegt.
Mickey und ich sind rein technisch betrachtet nicht mehr zusammen – das hat sogar Milton gespürt und darauf reagiert, indem er wieder zwischen den Topffarnen und Rosensträußen in der Blumenecke hockt. Andererseits würde ich auch nicht sagen, dass wir uns getrennt haben. Wir nehmen eben nur eine Auszeit, wie Mickey es nennt. Seufzend ziehe ich die Decke höher hinauf. Milton und ich bleiben beide deprimiert.
Das Telefon klingelt ohne Unterlass. Ich vergrabe mich tiefer in meiner Martha-Stewart-Bettwäsche und beneide sie um ihre Zeit im Gefängnis. Dort hat man sie wenigstens in Ruhe gelassen. Der Apparat klingelt und klingelt. Voller Widerwillen schäle ich mich aus meiner Designer-Pelle und nehme ab.
»Soll ich deiner Mutter einen Pie oder so etwas mitbringen?«
Es ist Mickey, der sich Gedanken über ein Geschenk für die Gastgeberin macht. Ich merke, wie sich die Härchen an meinen Armen aufstellen. Es ist so leicht, das Falsche zu sagen, den falschen Ton zu treffen oder den falschen Eindruck zu hinterlassen, wenn man nicht weiß, ob der eigene Freund einen noch liebt.
»Ich glaube nicht«, antworte ich zurückhaltend. »Sie backt ihre eigenen Pies.«
»Ah. Dann vielleicht Blumen?«
»Lass mich nachdenken«, sage ich in dem Versuch, witzig zu sein. »Wie lange seid ihr schon zusammen, du und Helen? Drei Monate? Ja, Blumen wären genau das Richtige.«
»Sehr lustig«, sagt er. »Also, was soll ich dann mitbringen?«
Seine Stimme klingt wunderbar. Ich rufe mir in Erinnerung, dass er sich nicht wirklich von mir getrennt hat. Wir nehmen nur eine Auszeit.
»Etwas Süßes vielleicht? Oder eine Grünpflanze?«, schlägt er vor.
»Damit versorgt Pulkowski sie doch schon.«
»Ja, aber dieses Jahr fühlt er sich vielleicht nicht danach, etwas zu besorgen.«
»Es geht ihm gut .«
Ich habe ihn angeblafft. Jetzt klinge ich zickig. »Die Behandlung spricht sehr gut an«, versichere ich ihm. Natürlich ist das reine Erfindung. Es könnte auch sein, dass es Pulkowski schlechter geht. »Eine Flasche Scotch«, rate ich ihm. »Kauf ihr einen Chivas. Den liebt sie.«
»Chivas?«, fragt er. »Meinst du Chivas Regal?«
»Sie ist zu geizig, um ihn sich selbst zu kaufen. Sie kauft lieber irgendetwas Billiges und füllt es dann um in ihre leere Chivas-Flasche.«
»Diese Helen …«, sagt Mickey.
Ein kurzes, unangenehmes Schweigen entsteht.
»Freust du dich darauf, mich heute zu sehen?«, fragt Mickey dann.
»Helen freut sich sicher.«
Wieder Schweigen. Mein Scherz ist nicht angekommen. Doch was, wenn ich mich freue, ihn zu sehen, er sich aber nicht freut, mich zu sehen?
»Wir sehen uns später«, sagt Mickey.
Erschöpft lege ich auf. Ich muss noch duschen, mich schick machen und mir überlegen, wie ich es schaffe, glücklich auszusehen.
Im Bad blickt mir ein müdes Gesicht aus dem Spiegel entgegen. Ich sehe teigig und ein bisschen pummelig aus. Das hat mir Teddy angetan, oder vielleicht auch Mickey. Oder Helen. Der Feiertagsstress fordert seinen Tribut von meiner Haut. Ein schönes, langes Bad wird die Poren durchlüften.
Ich liege im Schaum und versuche, eine Möglichkeit zu finden, wie ich mein ganzes Leben ändern kann. Ich erinnere mich an eine Nonne, die uns unterrichtet und uns beigebracht hat, dass wir genau das könnten: die ganze Welt durch kleine Taten verändern. Sie selbst hatte es eines Tages getan, während wir an unseren Pulten saßen und Schönschrift übten. Mit dem Bleistift in der Hand hatte ich zugesehen, wie sie nacheinander die einzelnen Stationen des Kreuzweges herunternahm, die an den Wänden unseres Klassenzimmers hingen. Dann hatte sie einen kleinen Hammer aus den Falten ihrer Robe gezogen und angefangen, neue Nägel einzuschlagen; sie hatte die kleinen Tafeln in umgekehrter Reihenfolge aufgehängt. »Ich bin Linkshänderin«, hatte sie uns erklärt, als sie fertig war. »Indem ich diese Bilder in anderer Reihenfolge aufgehängt habe, habe ich die Welt ein kleines bisschen verändert.« Ich bleibe noch lange, nachdem der Schaum weg ist, in der Wanne liegen und denke darüber nach.
Schließlich fange ich an, mich für den Feiertag in Schale zu werfen. Zuerst trage ich Gesichtscreme auf. Dann fummele ich mit einer Kontaktlinse herum, die so dünn wie Zellophan und in meiner Hand fast unsichtbar ist. All diese Bemühungen nur aus dem
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