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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nella Larsen
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das hier völlig fremd und einsam war. Ein schwaches Gefühl von Gefahr streifte sie wie der Hauch kalten Nebels. Absurd, sagte ihr die Vernunft, als sie sich von Bellew Feuer geben ließ. Noch ein Blick auf Clare zeigte, dass sie lächelte. Und Gertrude ebenfalls, die sich wie immer der Situation anpasste.
    Ein Betrachter hätte wohl gedacht, was für eine höchst angenehme Teegesellschaft, alle sind fröhlich, albern herum und lachen ausgelassen. Irene sagte launig: »Und Sie mögen also keine Schwarzen, Mr. Bellew?« Ihre Belustigung war eher in Gedanken als in ihren Worten.
    John Bellew ließ ein kurzes zurückweisendes Lachen hören. »Da haben Sie mich falsch verstanden, Mrs. Redfield. Nichts dergleichen. Nicht, dass ich sie nicht mag, ich hasse sie. Genau wie Nig, sosehr sie auch versucht, eine von ihnen zu werden. Sie würde kein Nigger-Hausmädchen um sich haben wollen, um nichts in der Welt. Nicht, dass ich das von ihr verlange. Die sind mir nicht geheuer. Die schwarzen Drecksteufel.«
    Das war nicht spaßig. Kannte Bellew, erkundigte Irene sich, überhaupt Schwarze? Bei dem defensiven Ton ihrer Stimme schreckte die sich unbehaglich fühlende Gertrude wieder auf, und obwohl Clare nach außen hin gelassen wirkte, warf sie Irene einen schnellen, besorgten Blick zu.
    Bellew antwortete: »Dank sei dem Herrn, nein! Und will ich auch nie! Aber ich kenne Leute, die welche gekannt haben, besser als die ihr eigenes schwarzes Ich kennen. Und ich lese in den Zeitungen über sie. Nur Raubüberfälle und Leute umbringen. Und«, fügte er dunkel hinzu, »Schlimmeres.«
    Aus Gertrudes Richtung kam ein seltsamer, unterdrückter Laut, ein Schnauben oder Kichern. Irene konnte nicht sagen, was es war. Es folgte ein kurzes Schweigen, wobei sie befürchtete, ihre Selbstbeherrschung könnte nicht ausreichen, ihrer wachsenden Verärgerung und Entrüstung Herr zu werden. Sie verspürte jäh den Wunsch, den Mann an ihrer Seite anzuschreien: ›Und Sie sitzen hier, umgeben von drei schwarzen Teufeln, die Tee trinken.‹
    Sie unterdrückte den Impuls, da sie sich die Gefahr klarmachte, in die eine solche Unbesonnenheit Clare bringen würde, die leicht rügend bemerkte: »Jack, Lieber, bestimmt interessieren ’Rene deine Lieblingsaversionen nicht allzu sehr. Gilt auch für Gertrude. Zeitungen lesen sie vielleicht auch, weißt du.« Sie lächelte ihm zu, und ihr Lächeln schien ihn zu verwandeln, ihn reif und weich zu machen wie Sonnenstrahlen eine Frucht.
    »Ist gut, Nig, mein Mädchen. Tut mir leid«, sagte er. Er streckte die Hand aus und tätschelte die blassen Hände seiner Frau, dann wandte er sich Irene zu. »Wollte Sie nicht langweilen, Mrs. Redfield. Hoffentlich verzeihen Sie mir«, sagte er verlegen. »Clare sagt mir, Sie wohnen in New York. Großartige Stadt, New York. Stadt der Zukunft.«
    Irenes Zorn war zwar nicht verflogen, wurde aber durch Vorsicht und Loyalität Clare gegenüber in Schach gehalten. Und so stimmte sie Bellew mit der größtmöglichen Lässigkeit zu, die sie aufbieten konnte. Genau das sagten die Chicagoer doch auch gern von ihrer Stadt, bemerkte sie. Und die ganze Zeit, während sie sprach, dachte sie, wie erstaunlich es doch war, dass ihre Stimme nicht bebte und sie nach außen hin ruhig war. Nur ihre Hände zitterten leicht. Sie zog sie von ihrem Schoß an sich und presste die Fingerspitzen zusammen, um sie still zu halten.
    »Ihr Mann ist Arzt, höre ich. Manhattan oder ein anderer Bezirk?«
    »Manhattan«, bestätigte Irene und erklärte, dass Brian von bestimmten Krankenhäusern und Kliniken aus leicht erreichbar sein musste.
    »Interessantes Leben, so ein Arzt.«
    »Ja-a. Allerdings anstrengend. Und irgendwie auch eintönig. Außerdem nervenaufreibend.«
    »Zumindest anstrengend für die Nerven der Ehefrau, was? So viele Patientinnen.«
    Er lachte und genoss jungenhaft den alten Witz.
    Irene brachte ein flüchtiges Lächeln zustande, aber ihre Stimme war nüchtern, als sie sagte: »Brian macht sich nichts aus Damen, besonders kranken. Ich wünschte mir manchmal, er täte es. Dagegen lockt ihn Südamerika.«
    »Ist im Kommen, Südamerika, wenn man bloß die Nigger dort rauskriegte. Völlig überlaufen –«
    »Also, wirklich, Jack!« Clares Stimme klang gereizt.
    »Ehrlich, Nig, ich hab’s vergessen.« Zu den anderen gewandt: »Da sehen Sie, wie ich unterm Pantoffel stehe.« Und zu Gertrude: »Sie sind immer noch in Chicago, Mrs. – eh – Mrs. Martin?«
    Er gab sich alle Mühe, das war

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