Seitenwechsel
Vorderzähne berührten sich leicht. Durch sie hindurch sprach sie, und ihre Stimme klang dabei einen Hauch ironisch. »Brian, Liebling, ich bin wirklich nicht so ein Dummkopf, dass ich nicht wüsste, wenn mich ein Mann als Nigger bezeichnet, ist es beim ersten Mal seine Schuld, hat er aber die Möglichkeit, es zu wiederholen, ist es meine Schuld.«
Sie gingen ins Esszimmer. Er zog ihren Stuhl zurück, und sie setzte sich hinter die dickbauchige deutsche Kaffeekanne, die ihren morgendlichen Duft ausströmte, der sich mit dem Geruch frisch gerösteten Toasts und herzhaften Specks aus der Küche vermischte. Brian hob mit langen, sehnigen Fingern die Morgenzeitung von seinem Stuhl und setzte sich.
Zulena, ein kleines, mahagonifarbenes Geschöpf, brachte die Pampelmuse herein.
Sie nahmen die Löffel.
Brian brach das Schweigen und sagte verbindlich: »Mein Liebes, du missverstehst mich völlig. Ich habe nur gemeint, hoffentlich lässt du dich von ihr nicht nerven. Das wird sie, weißt du, wenn du ihr auch nur die geringste Chance gibst und sie so ist, wie du sie beschrieben hast. Geschieht ohnehin immer. Außerdem«, stellte er richtig, »hat der Mann, ihr Ehemann, dich nicht Nigger genannt. Das ist ein Unterschied, verstehst du.«
»Nein, stimmt, hat er nicht. Genau genommen nicht. Konnte er wohl schlecht, da er nicht Bescheid wusste. Aber er hätte es getan. Das kommt aufs Gleiche raus. Jedenfalls war es genauso unangenehm.«
»Hmmm, ich weiß nicht. Aber mir scheint«, betonte er, »dass du, mein Liebes, ganz im Vorteil warst. Du kanntest seine Meinung über dich, wohingegen er – Nun, so war das zu allen Zeiten. Wir wissen das, haben das immer schon gewusst. Sie nicht. Nicht ganz. Es hat, musst du zugeben, eine witzige Seite und ist manchmal auch von Nutzen.«
Sie goss Kaffee ein.
»Ich kann das nicht so sehen. Ich werde Clare schreiben. Heute, sobald ich eine Minute Zeit habe. Wir können die Sache endgültig erledigen, und zwar gleich. Seltsam, nicht?, dass sie, die doch seine unqualifizierte Einstellung kennt, ihn noch –«
Brian unterbrach sie: »Es ist doch immer so. Hundertprozentig. Erinnerst du dich an Albert Hammond, wie er sich dauernd in der Seventh Avenue und der Lenox Avenue herumtrieb und in den Tanzlokalen, bis so ein Schwarzer ihn attackierte, weil er ein Auge auf seine Sheba geworfen hatte? Sie kommen immer zurück. Ich habe es immer wieder erlebt.«
»Aber warum?«, wollte Irene wissen. »Warum nur?«
»Wenn ich das wüsste, dann wüsste ich, was Rasse ist.«
»Würde man nicht denken, dass sie, wenn sie die eine Sache oder die Sachen erreicht haben, hinter denen sie her waren, und das mit solch einem Risiko – dass sie dann zufrieden wären? Oder Angst hätten?«
»Ja«, stimmte Brian zu, »sollte man denken. Aber Tatsache ist, sie sind es nicht. Nicht zufrieden, meine ich. Ich glaube, die meiste Zeit, wenn sie dem Drang nachgeben und wenn sie zurückkommen, haben sie ziemlich viel Angst. Aber nicht so viel, dass es sie davon abhält. Warum, das weiß nur der liebe Gott.«
Irene beugte sich vor und sprach mit einer Heftigkeit, die völlig unnötig war, aber für sie nicht zu kontrollieren.
»Also, mit mir kann Clare nicht rechnen. Ich habe nicht die Absicht, die Verbindung zwischen ihr und ihren ärmeren dunkleren Brüdern zu spielen. Zudem nach dieser Szene in Chicago! Von mir seelenruhig zu erwarten –« Sie brach ab, vor Zorn fehlten ihr die Worte.
»Völlig richtig. Das einzig Vernünftige, was man tun kann. Hoffentlich entkommst du ihr. Eine unerquickliche Angelegenheit das Ganze. Ist es immer.«
Irene nickte. »Noch Kaffee?«
»Danke, nein.« Er nahm wieder die Zeitung und schlug sie mit einem kleinen Rascheln auf.
Zelena erschien und brachte weiteren Toast. Brian griff sich eine Scheibe und biss mit diesem knuspernden Geräusch hinein, das Irene so gar nicht mochte, und wandte sich seiner Zeitung zu.
Sie sagte: »Schon komisch, das mit dem ›Seiten wechseln‹. Wir missbilligen und entschuldigen es zugleich. Es weckt unsere Verachtung, und doch bewundern wir es eigentlich. Wir schrecken mit einer Art Abscheu davor zurück, decken es aber.«
»Trieb der Rasse, sich selbst zu erhalten und zu vermehren.«
»Quatsch! Nicht alles kann durch ein Schlagwort aus der Biologie erklärt werden.«
»Doch, absolut alles. Schau dir nur die angeblichen Weißen an, die auf der ganzen weiten Welt Mischlinge hinterlassen haben. Genau dasselbe. Der Trieb der Rasse, sich selbst zu
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