Seitenwechsel
ist.«
»Hm, verflixt, ich muss glauben, dass Sie halbwegs recht haben!«
»Ich bin mir da sicher. Völlig. (Ausgenommen natürlich, wenn es auf deren Seite bloß herablassende Freundlichkeit ist.) Und ich kenne farbige Frauen, die dasselbe erlebt haben – umgekehrt selbstverständlich.«
»Und die Männer? Sie teilen wohl nicht die allgemeine Meinung, warum sie hierherkommen? Allein auf Beute aus? Oder doch?«
»N-ein. Eher neugierig, würde ich sagen.«
Wentworth, dessen Augen verhangen bernsteinfarben waren, hatte ihr einen langen, forschenden Blick zugeschickt, sie regelrecht angestarrt. »Das ist alles hochinteressant, Irene. Wir sollten bald mal länger darüber sprechen. Zum Beispiel über Ihre Freundin aus Chicago, die hier zum ersten Mal auftaucht, und all das. Ein typischer Fall.«
Irenes Lächeln hatte kaum die Winkel ihrer geschminkten Lippen hochgezogen. Ein Streichholz flammte in Wentworths breiten Händen auf, als er ihre Zigarette und dann seine anzündete, und erlosch noch, bevor er fragte: »Oder etwa nicht?«
Ihr Lächeln wurde zu einem Lachen. »Oh, Hugh! Sie sind so klug. Sie wissen doch gewöhnlich alles. Selbst, wie man Schafe von Böcken trennt. Was glauben Sie denn? Ist sie es?«
Er blies nachdenklich einen Rauchring. »Verflixt, wenn ich das nur wüsste! Ich bin mir so sicher wie nur was, ich kenne den Trick. Und dann im nächsten Augenblick merke ich, ich könnte auf keine zeigen, selbst wenn mein Leben davon abhinge.«
»Machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Niemand kann das. Nicht durch Hinschauen.«
»Also nicht durch Hinschauen? Das heißt?«
»Kann ich leider nicht erklären. Nicht deutlich. Es gibt Möglichkeiten. Aber die sind nicht eindeutig oder handfest.«
»Ein Gefühl der Verwandtschaft oder so etwas Ähnliches?«
»Um Gottes willen, nein! Das hat niemand, abgesehen von den angeheirateten Familienangehörigen.«
»Wieder richtig! Aber reden Sie doch weiter von den Schafen und Böcken.«
»Nun, nehmen Sie meine eigene Erfahrung mit Dorothy Thompkins. Die habe ich vier- oder fünfmal in einer Gruppe oder in großer Gesellschaft getroffen, bevor ich erkannt habe, dass sie keine Schwarze ist. Einmal bin ich zu einer furchtbaren Teeparty gegangen, stinkvornehm. Dorothy war da. Wir kamen ins Gespräch. In weniger als fünf Minuten war mir klar, dass sie eine Weiße ist. Nicht durch etwas, was sie machte oder sagte, oder von ihrem Aussehen her. Bloß – bloß irgendetwas. Eine Sache, die man nicht genau benennen kann.«
»Verstehe, was Sie meinen. Aber es gehen doch ständig Leute als etwas anderes durch.«
»Nicht bei uns, Hugh. Ein Schwarzer kann leicht als Weißer durchgehen. Aber ich glaube nicht, dass es so einfach für einen Weißen ist, als Farbiger durchzugehen.«
»Hm, noch nie darüber nachgedacht.«
»Nein, klar. Warum sollten Sie auch?«
Er sah sie prüfend an durch die Rauchschwaden. »Wollen Sie mich vorführen, Irene?«
Sie sagte ganz ernst: »Doch nicht Sie, Hugh. Ich habe Sie zu gern. Und Sie sind zu aufrichtig.«
Und sie erinnerte sich, dass gegen Ende der Tanzveranstaltung Brian zu ihr gekommen war und gesagt hatte: »Ich setze dich zuerst ab und fahre dann Clare heim.« Und dass er an ihrer Diskretion zweifelte, als sie ihm erklärt hatte, dass er sich nicht bemühen müsse, weil sie schon Bianca Wentworth gebeten habe, Clare mitzunehmen. Ob sie das für klug halte, hatte er gefragt, ihnen das von Clare zu erzählen?
»Ich habe ihnen nichts erzählt«, sagte sie scharf, denn sie war unerträglich müde, »nur, dass sie im Walsingham wohnt. Das ist auf ihrem Weg. Und wirklich, ich habe mir keine Gedanken gemacht, ob das klug ist, aber jetzt, wo ich es tue, behaupte ich, es ist viel besser, dass sie Clare mitnehmen und nicht du.«
»Wie du willst. Sie ist ja deine Freundin«, hatte er mit einem jede Verantwortung ablehnenden Achselzucken geantwortet.
Bis auf diese wenigen unverbundenen Einzelheiten war die Tanzveranstaltung zu einer verschwommenen Erinnerung verblasst, deren Umriss sich mit der anderer ähnlicher Veranstaltungen vermischte, die sie in der Vergangenheit besucht hatte und in Zukunft besuchen würde.
vier
So verwechselbar die Tanzveranstaltung gewesen zu sein schien, war sie doch wichtig. Sie markierte nämlich den Beginn eines neuen Einflusses in Irene Redfields Leben, etwas, das seine Spur in den künftigen Jahren hinterließ. Es war der Beginn einer neuen Freundschaft mit Clare Kendry.
Sie kam nach der Veranstaltung
Weitere Kostenlose Bücher