Seitenwechsel
häufig zu ihnen. Immer mit einer rührenden Fröhlichkeit, die heraussprudelte und auf den Redfield-Haushalt überging. Trotzdem konnte Irene nie sicher sein, ob ihr Kommen Freude oder Verdruss bedeutete.
Allerdings verursachte Clare keine Mühe. Man musste sich nicht groß um sie kümmern oder sie auch nur beachten – wenn es überhaupt möglich war, Clare nicht zu beachten. War Irene zufällig nicht daheim oder beschäftigt, konnte Clare sich vergnügt mit Ted und Junior unterhalten, die jetzt für sie eine Bewunderung an den Tag legten, die an Verehrung grenzte, besonders Ted. Oder wenn die Jungen nicht da waren, ging sie in die Küche hinunter und verbrachte mit einem – für Irene – zum Verzweifeln kindlichen Mangel an Gespür ihren Besuch in heiterem Geplänkel mit Zulena und Sadie.
Obwohl Irene die Besuche im Spielzimmer und in der Küche aus irgendeinem unklaren Grund, den in Worte zu fassen sie zurückschreckte, insgeheim übel nahm, forderte sie Clare nie auf, sie zu unterlassen; ebenso wenig führte sie ihr vor Augen, dass sie ihre Tochter Margery niemals so unmäßig verzogen hätte oder mit weißen Bediensteten so vertraulich wäre.
Brian betrachtete all das mit demselben nachsichtigen Amüsement, das seine ganze Haltung Clare gegenüber kennzeichnete. Nie seit seiner spöttischen Verwunderung bei Irenes Mitteilung, dass Clare mit ihnen zu der Tanzveranstaltung gehen würde, hatte er Missfallen an ihrer Anwesenheit gezeigt. Andererseits ließ sich auch nicht sagen, dass ihm ihre Anwesenheit zu gefallen schien. Weder verärgerte noch störte sie ihn, soweit Irene das beurteilen konnte. So sah es aus.
Ob er nicht finde, fragte sie ihn einmal, dass Clare außergewöhnlich schön sei?
»Nein«, hatte seine Antwort gelautet, »das heißt, nicht besonders.«
»Brian, du schwindelst!«
»Nein, ehrlich. Vielleicht bin ich zu wählerisch. Vermutlich wäre sie eine ungewöhnlich gut aussehende weiße Frau. Ich mag meine Ladys dunkler. Neben einer Sheba der Spitzenklasse fehlt ihr das gewisse Etwas.«
Clare begleitete Irene und Brian manchmal zu Partys und Tanzveranstaltungen, und einige Male, als es Irene nicht möglich gewesen war oder sie keine Lust hatte auszugehen, war sie allein mit Brian zu einem Bridge-Abend oder einem Benefiz-Tanz gegangen.
Ab und zu kam sie ganz offiziell zu einem Essen. Sie war allerdings trotz ihres sicheren Auftretens und ihrer Weltgewandtheit kein idealer Gast für eine Dinnerparty. Über den ästhetischen Genuss hinaus, den ihr Anblick bot, steuerte sie nur wenig bei, da sie meist mit seltsam verträumtem Blick in den hypnotisierenden Augen still am Tisch saß. Doch für eigene Zwecke – wenn sie in eine Gruppe mit einbezogen werden wollte, die ins Varieté ging, oder sich eine Einladung zu einem Tanzvergnügen oder zum Tee wünschte – konnte sie gewandt und unterhaltsam plaudern.
Sie war allgemein beliebt. Sie war freundlich und aufgeschlossen und stets bereit, allen die süße Kost der Schmeichelei zukommen zu lassen. Auch hatte sie nichts dagegen, sich ein wenig traurig und ausgenutzt zu geben, so dass man sie bedauern konnte. Und ganz gleich, wie oft sie mit anderen zusammen war, sie blieb eine Einzelgängerin, etwas geheimnisvoll und fremdartig, eine, über die man nachdachte, die man bewunderte und bemitleidete.
Ihre Besuche waren nicht vorhersagbar, ungewiss, da sie sozusagen von John Bellews Anwesenheit in der Stadt oder seiner Abwesenheit abhingen. Gelegentlich aber gelang es ihr, sich sogar, wenn er nicht abwesend war, für einen Nachmittag davonzustehlen. Als die Zeit verging ohne jegliche Gefahr, entdeckt zu werden, hörte selbst Irene auf, sich von der Möglichkeit, dass Clares Mann zufällig auf ihre rassische Identität stieß, beunruhigen zu lassen.
Ihre Tochter Margery hatten Clare und Bellew auf einer Internatsschule in der Schweiz untergebracht, denn sie würden im Vorfrühling dorthin zurückkehren. Im März sagte Clare häufig in rebellischem Ton: »Und wie ich schon den Gedanken daran hasse! Aber ich sehe überhaupt nicht, wie ich mich davor drücken kann. Jack will nichts davon hören, dass ich zurückbleibe. Wenn ich nur einige Monate mehr in New York haben könnte, allein, meine ich, wäre ich das glücklichste Geschöpf auf der Welt.«
»Vermutlich wirst du schon glücklich sein, wenn du erst mal weg bist«, sagte Irene einmal, als Clare über die bevorstehende Abreise jammerte. »Vergiss nicht, da ist Margery. Denk dran, wie froh du
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