Seitenwechsel
paar Minuten später beim gemeinsamen Linsendinner saßen – »natürlisch iß et Karinsche mit« –, plauderte Nati zu Eckis Ärger jedes Detail aus.
»Wieverfasteloovend. Isch un ming Mädsche op jück, wie immer. Und dann …« Sie machte eine Kunstpause. »Simmer trocke jelofe. Ein Drama, sach isch dir. Un wat litt do zufällisch om Weg. Eckis Büdschen. Isch also rin do, un wat rööf mir dä Käl da entjejen. Jeschlosse. Von wejen, sach isch. Wenn de jeschlosse häs, musste och de Dür avschließe, sach isch. Un jetz sei so nett un rett misch un ming Mädsche vürm Verdoschte. Tja, un wie dä Käl misch övver sing Zeidung hinwech anbrummte, waret öm misch passeet.«
Ich hatte zwar nur die Hälfte verstanden, aber Hauptsache, Ecki und seine Nati verstanden sich. Und danach sah es zumindest aus. Denn als sie Ecki, der stur seine Suppe weiterlöffelte, umarmte, meinte ich tatsächlich ein Lächeln auf seinen Lippen zu sehen.
»Ja, also«, ich räusperte mich. »Was soll ich dazu sagen. Es freut mich, dass Ecki so jemanden wie Sie gefunden hat, Renate. Nati.«
»Na ja, saren wir mal, isch han ihn jefunde«, sie zwinkerte mir verschwörerisch zu und füllte die obligatorischen Schnapsgläser – »Et is ja nur ein kleiner Aperitif« – erneut. »Auf die Liebe.«
Ich fühlte mich bei Renate unweigerlich an die Hymne erinnert, die jedes Kölsche Kind spätestens mit zwei Jahren auswendig kennen musste. Es fehlte nicht viel, und ich hätte »Viva Colonia« angestimmt. Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust. Wir glauben an den lieben Gott und han auch immer Durst, da simmer dabei … Vielleicht lag es auch daran, dass ich von Schnäpsen immer so schnell betrunken wurde. Aber einen stärkeren Gegensatz als zwischen dieser redseligen, trinkfreudigen und vor Herzlichkeit überschäumenden Frau und Ecki gab es einfach nicht.
Sie knuffte Ecki in die Seite, der das ohne Kommentar über sich ergehen ließ. »Isch saret dir, Karinsche, der Eckhart ist zwar ein sturer Bock, aber wenn er etwas will, dann auch richtig.«
Sie zwinkerte mir wieder zu und ich war mir nicht sicher, ob ich wissen wollte, welchen Lebensbereich sie damit meinte. Deswegen nickte ich nur lächelnd, aber Nati fuhr trotzdem fort: »Erst kütt er met singem Asch nit huh, ävver wenn er erstmal in Fahrt is … Bevor isch misch versehe, krempelt er sing janzes Leben um, kauft uns eine hübsche kleine Finca auf Mallorca. Un doo verbringe wir beiden jetzt unseren Lebensabend.«
Wie jetzt? Machte das überhaupt noch Sinn, so kurz vor seinem Tod? Oder hatte ich da etwas Grundsätzliches missverstanden? So schlecht sah Ecki auch gar nicht aus, für einen, der nur noch ein paar Wochen zu leben hatte. Aber wie fragte man jemanden höflich, ob er denn jetzt nun bald starb oder nicht?
»Den Lebensabend verbringen! Auf Mallorca!«, wiederholte ich daher nur unentschlossen.
»Ja, dat wor schon immer minge Drom.« Renate kniff Ecki liebevoll in die Backe.
»Einen schönen langen gemeinsamen Lebensabend auf Mallorca?«, wiederholte ich noch mal und versuchte, es nicht allzu sehr wie eine Frage klingen zu lassen.
»Na, dat wolle mer doch mal hoffen!«, polterte Nati laut los, und um gar nicht erst Zweifel an ihrer Gesundheit aufkommen zu lassen, schüttete sie sich und uns noch einen Schnaps ein.
Ecki grummelte: »Ich habe bestimmt nicht nach dreißig Jahren meinen Kiosk verkauft, um dann auf Mallorca sofort abzukratzen.«
»Wie bitte, Sie haben Ihren Kiosk verkauft?«
»Ja, natürlich, oder was glauben Sie, wofür ich diesen Sommerschlussverkauf hier veranstalte?« Ecki sah mich streng an, und ich erwähnte lieber nicht, dass ich mit seinem baldigen Ableben gerechnet hatte. Stattdessen freute ich mich mit ihm, dass er weiterlebte, auch wenn es mir einen kleinen Stich versetzte, ihn nie wieder in diesem Kiosk auf dem Sessel hinter seiner Zeitung anzutreffen. Dieses Mal erhob ich das Schnapsglas. »Toll, das ist toll, auf euch und Mallorca.«
»Hach, dat wird toll, net wahr, Bärchen?« Nati küsste Ecki mit einem lauten Schmatzgeräusch, und er schaute etwas peinlich berührt auf seinen Teller.
»Entschuldige, Karina, aber mer sin noch so verliebt. Mer han erst vor zwei Monaten jeheiratet.«
»Geheiratet?«, prustete ich los und verschluckte mich dabei heftig am Schnaps, was ziemlich in der Kehle brannte. Mein Gott, was hatte Ecki in der kurzen Zeit, in der wir uns nicht gesehen hatten, denn noch alles erledigt?
Zu seiner Verteidigung
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