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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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musste auf Eckis Nicht-Tod und langen Lebensabend auf Mallorca mit seiner neuen Flamme Nati anstoßen.«
    »Klingt nach einem netten Abend.«
    Ich nickte. Aber irgendetwas Unangenehmes schwebte im Raum. Ich wusste nur noch nicht was. »Habe ich irgendetwas Peinliches gemacht?«
    »Du meinst, Heiratsanträge angenommen oder so was in der Art? Nein, keine Angst.«
    Das war es. Der Heiratsantrag. Stimmt ja, den hatte ich mir erfolgreich aus dem Gedächtnis getrunken. Und jetzt saß der Antragsteller direkt vor mir und erwartete mit Sicherheit eine bessere Antwort als beim ersten Mal.
    »O Gott, Hannes, es tut mir leid. Meine Reaktion war total … fehl am Platz.« Zeit gewinnen. Ich musste Zeit gewinnen. Aber merkwürdigerweise kam Hannes mir sogar zu Hilfe.
    »Nein, du hattest absolut recht. Es war der falsche Zeitpunkt. Natürlich hätte ich dich besser bei einem unserer – ähm, wie hattest du sie gestern Abend noch mal genannt – ›scheißromantischen‹ Momente in Rom oder in den Alpen fragen sollen.«
    »›Scheißromantisch‹, habe ich das wirklich gesagt?«
    »Ja, und dass du unseren Kindern schließlich später nicht erzählen kannst, dass wir uns gerade gestritten haben, als der Antrag kam.«
    Kinder? Ich hatte von »unseren Kindern« geredet? Ich starrte Hannes entsetzt an. Das fiel für mich eindeutig in die Kategorie peinlich, die ich eben angesprochen hatte. Ich zog mir die Decke über den Kopf und wollte von meinen weiteren Peinlichkeiten gar nichts mehr hören. Aber Hannes blieb unerbittlich.
    »Als du dann anfangen wolltest, den Heiratsantrag zu annullieren, was, nebenbei gesagt, juristisch nicht möglich ist, weil so ein Antrag nicht bindend ist, bist du irgendwie eingeschlafen. Ich hätte dich gerne ins Bett gebracht, aber dann hätte ich dich quasi schon über die Schwelle getragen und das wollte ich nicht ohne dein Einverständnis tun, denn das ist ja, wie du schon richtigerweise erwähnt hattest, die Grundvoraussetzung für so eine Hochzeit.«
    Ihm machte es sichtlich Spaß, in meinen Fettnäpfchen herumzustampfen.
    »Es tut mir wirklich, wirklich leid«, murmelte ich unter der Bettdecke und wünschte mir inständig, sie den Rest des Tages über dem Kopf behalten zu dürfen, um Hannes nicht in die Augen sehen zu müssen. Aber das hätte in der Redaktion vermutlich für blöde Fragen gesorgt. Hannes hob die Decke ein Stück an und sagte: »Ehrlich gesagt, warst du mir nur zu schwer.« Das war zwar auch nicht viel besser, aber wenigstens nahm er die Sache noch mit Humor. Der würde ihm allerdings gleich vergehen, wenn ich ihm erst mal den Grund für meine zögerliche Antwort gesagt hätte, der zum größten Teil, wenn auch nicht ausschließlich, aus Tim bestand. Ich konnte Hannes schlecht heiraten, ohne ihm meine heimlichen Treffen mit Tim gebeichtet zu haben. Und wenn ich es getan hatte, konnte ich ihn vermutlich auch nicht mehr heiraten, weil er dann seinen Antrag zurückziehen würde. So oder so würde dieser Morgen übel enden, und ich wünschte mir mehr denn je eine Fernbedienung für mein Leben. Ich wollte zurückspulen, und zwar zu dem Zeitpunkt, als eine Aussprache noch möglich gewesen wäre. Wieder einmal hatte ich den Moment verpasst und gehofft, mein merkwürdiges Parallelleben würde sich irgendwie von selbst regeln. Aber das tat es wie üblich nicht. Stattdessen konnte ich gleich barfuß über die Scherben meiner zerbrochenen Beziehung schleichen und mich dann schluchzend aus Hannes’ Haus und Leben verabschieden. Es schnürte mir jetzt schon den Magen zusammen. Gott, wann wurde ich endlich erwachsen? Nie vermutlich! Oder jetzt vielleicht? Ich schlug entschlossen die Bettdecke zurück.
    »Hannes, ich muss dir …« Aber bevor ich weiterreden konnte, unterbrach Hannes mich, als wäre es ein Wink des Schicksals.
    »Es stimmt, Karina. Ich war feige.«
    Wie bitte? Er war feige? Wie war denn dann der Begriff für das, was ich war? Ich sah ihn verblüfft an.
    »Natürlich wollte ich dir in Rom den Antrag machen, weil ich eben kein Schnösel mit zu viel Geld und zu wenig Gelegenheiten bin, es auszugeben. Aber ich habe einen Rückzieher gemacht, weil ich nicht wusste, ob ich schon so weit war. Ich weiß, dass du noch nicht so weit bist. Aber ich haue diese Anträge auch nicht jeden Tag raus.«
    Er sah mich eindringlich an, und mir wurde schon wieder mulmig zumute. Dieses Mal lag es allerdings nicht am Restalkohol. Hannes nahm meine Hand und spielte nervös mit meinen Fingern, während er

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