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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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nicht loslassen. Er wusste, dass es mir nicht um Sarahs Eltern gegangen war. Sein Blick war offen, ehrlich, näher als jede Umarmung. Ich fühlte mich geborgen in Tims Blick und musste mich zwingen, mich von ihm loszureißen.

Aus persönlichen Gründen
    Ja, ich war gereizt. Aber das war noch lange kein Grund dafür, dass Hannes mich am Arm packte und unauffällig über den Flur in sein Büro drängte, als wäre ich eine tickende Zeitbombe, die bei ihrer Detonation möglichst wenig Opfer fordern sollte. Ich hatte allen Grund, sauer zu sein.
    »Gruber? Ausgerechnet Gruber?!«, fauchte ich ihn an.
    Hannes hatte ihn vor nicht mal einer halben Stunde für die WM eingeteilt, und das, obwohl bekannt war, dass der Kerl seine Artikel in Fünfjahresabständen recycelte und einen Kalender über seinem Computer hängen hatte, auf dem er die Tage bis zu seiner Rente mit einem fetten schwarzen Edding durchstrich. Ich hatte die Vorberichterstattung übernommen. Ich hatte mich durch sämtliche Qualifikationsspiele gequält. Ich hatte mich quer durch die Spielerbiographien gelesen und kannte selbst den dritten Torwart auf Togos Reservebank. Ich hatte es verdient, mitten drin zu sein und nicht wie alle anderen vor dem Fernseher.
    »Sag mir nur wieso? Ich verstehe das nicht.« Gut, vielleicht war ich etwas melodramatisch, aber wenn das hier schon unser erster Beziehungsstreit werden sollte, dann sollte er uns wenigstens in Erinnerung bleiben. »Ich habe das Recht auf diese WM. Ich müsste mit ins deutsche Trainingslager reisen. Das hast du doch nur gemacht, weil ich deine Freundin bin!«
    Ich schüttelte seine Hände von meinen Schultern. Hannes machte beschwichtigend einen Schritt zurück, vermutlich aus Angst, ich würde sonst handgreiflich werden.
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Gruber hat nun mal die älteren Rechte. Es ist seine letzte große Veranstaltung.«
    »Ja, super, das wird die Leser bestimmt für die langweilige Berichterstattung entschädigen!«
    Ich drehte mich schmollend von ihm weg. Ich hatte keine Lust, jetzt schon einzusehen, dass der Fehler bei mir lag. Mit Tim hatten meine Auseinandersetzungen mindestens einen Tag gedauert, meistens eher länger. Da konnte Hannes mir bei unserem ersten Streit ruhig mal ein paar Minuten gönnen.
    »Glaub mir, Karina, die Verteilung hatte keine persönlichen Gründe. Auch wenn ich zugebe, dass ich es schade fände, wenn du dich den ganzen Sommer über in irgendwelchen Fußballstadien herumtreiben würdest, weil ich nämlich vorschlagen wollte, dass wir beide stattdessen zusammen mit Kai in die Flitterwochen fahren! Das hätte dann allerdings persönliche Gründe.«
    »Ich wusste es doch. Das ist verdammt nochmal unfair!«, rief ich auf dieses erzwungene Stichwort hin und stürmte türknallend aus seinem Büro. Ich ging schnurstracks Richtung Toilette, weil ich vorhatte, mich in die Kabine einzuschließen und erst heute Abend nach Redaktionsschluss wieder herauszukommen. Ich stieß die Tür zur Damentoilette auf und dabei fast mit Hannes’ Sekretärin zusammen, die mich grinsend ansah, weil sie längst über Hannes und mich Bescheid wusste. Und das war der Moment, in dem ich abrupt ins Grübeln geriet.
    Flitterwochen? Hatte er eben Flitterwochen gesagt? Ich ließ mir den Gesprächsablauf noch einmal durch den Kopf gehen und war mir mit einem Mal sicher, dass er Flitterwochen gesagt hatte.
    »Hast du mir etwa gerade einen Antrag gemacht?« So schnell hatte ich die zwanzig Meter zwischen Toilette und Hannes’ Büro noch nie zurückgelegt, und jetzt nahm ich mir noch nicht mal die Zeit, die Tür hinter mir zu schließen.
    »Ich wäre noch dazu gekommen, wenn du das Büro nicht so überstürzt verlassen hättest.« Hannes saß wieder an seinem Schreibtisch und sah mich nicht weniger überrumpelt an als ich ihn.
    »Du kannst mir doch jetzt keinen Antrag machen!«
    »Wieso nicht?«
    »Weil wir uns gerade streiten.«
    »Tun wir das?«, fragte er ernsthaft überrascht.
    »Ja. Allerdings. Deutliche Signale dafür waren meine drei Oktaven höhere Stimme und das Türenknallen.«
    »Verstehe, aber darauf kann ich jetzt leider keine Rücksicht mehr nehmen.« Hannes stand auf und machte ein paar Schritte auf mich zu. »Ich will dich heiraten, Karina.«
    »Ach.« Mein Gehirn fuhr seine Tätigkeit augenblicklich auf die lebensnotwendigen Funktionen herunter und sendete nur noch die Signale Einatmen, Ausatmen. Und sogar die waren im ersten Moment nicht selbstverständlich. Ich kam mir vor wie ein

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