Seitenwechsel
fortfuhr: »Mir ist meine Freiheit genauso wichtig wie dir, und wenn ich mich jetzt dazu durchgerungen habe, dir einen Antrag zu machen, dann, weil ich denke, dass wir unsere Freiheit zusammen verbringen sollten. Weil es mit dir einfach viel mehr Spaß macht. Ich verspreche dir, dass du mir nichts versprechen musst, Karina. Das Einzige, was wir uns versprechen müssten, so will es, glaube ich, die Tradition, wäre so etwas wie Liebe bis zum Ende unserer Tage, aber ich denke, selbst da könnte man einen Kompromiss finden.«
Ich sah Hannes mit offenem Mund an und vergaß über seiner Liebeserklärung sogar meinen Kater. Na gut, er war Journalist, ich musste davon ausgehen, dass er mit Worten manipulierte. Aber verdammt, warum fand er immer genau die richtigen?
»Du musst jetzt nichts darauf antworten, Karina.« Dieser Hinweis war total überflüssig, weil ich darauf sowieso nichts antworten konnte. In diesem Moment hätte meine Antwort nur albern klingen können, und vielleicht war genau deswegen Hannes der Chef und ich nur eine einfache Redakteurin.
»Und du musst den Antrag auch nicht gleich annehmen«, fügte er noch hinzu. »Nur für den Fall, dass du die Regeln noch nicht kennst. Dir steht eine Bedenkzeit zu.«
Allmählich erwachte ich aus meiner Ehrfurcht. »Wirklich?«
»Ja. Vorausgesetzt die Bedenkzeit überschreitet nicht das Ende der Sommerpause. Ich würde die Flitterwochen ungern zwischen zwei Bundesligaspielen einschieben.«
»Du bist verrückt.«
»Ist das jetzt ein Ja oder ein Nein?«
»Was ist mit meiner Bedenkzeit?«
»Okay, aber es ist ein Pluspunkt, oder?«
Ich schüttelte fassungslos den Kopf. Aber Hannes bohrte weiter nach:
»Ein klitzekleiner wenigstens?«
»Du brauchst keine Pluspunkte mehr!« Und das meinte ich verdammt ernst.
»Aber?«
Ich schluckte. »Ich brauche eine Aspirin!« Und diese verfluchte Fernbedienung.
Contra-Pro-Duktiv
Trotz der gewährten Bedenkzeit war ich nervös. Ich hatte das Gefühl, bei jedem Gespräch mit Hannes, ob beruflich oder privat, auf der Hut sein zu müssen, damit mir bloß kein Ja im falschen Zusammenhang rausrutschte. »Kannst du den Artikel noch mal um ein Drittel kürzen?« Und schon suchte ich nach den passenden Worten. »Natürlich.« Ich stellte fest, dass es jede Menge Synonyme für ja gab, die nicht so eng mit Traualtar und Eheversprechen verbunden waren. Sicher, selbstverständlich, kein Problem, durchaus im Bereich des Möglichen . Es gab hundert Umschreibungen, um bloß nicht diese zwei Buchstaben von sich geben zu müssen, aber das änderte nichts daran, dass ich im Grunde größere Probleme hatte, als mich mit der Vielfalt der deutschen Sprache auseinanderzusetzen. Leider machte mir dabei die Vielfalt der deutschen Schulferien einen Strich durch die Rechnung. Es waren Pfingstferien, und Tim besuchte mit Kai Sarahs Eltern. Das machte eine Aussprache mit ihm unmöglich, und ich wusste nicht, wie lange ich die Bedenkzeit ausreizen durfte, ohne unhöflich zu wirken. Irgendwann würde Hannes sich vermutlich selbst so seine Gedanken machen. Und dann würde er meine ausweichenden Antworten vielleicht nicht mehr mit Humor nehmen. Er konnte ja nicht ahnen, dass er in meinem Kopf, na ja und, zugegeben, woanders auch, immer noch mit Tim konkurrierte.
Wollte ich Hannes oder Tim? Wollte Tim mich oder Sarah? Würde Hannes mich noch wollen, wenn er von Tim wusste? Würde ich Tim noch wollen, wenn diese Option zur Verfügung stünde? Meine Gedanken bewegten sich wie in einer Gummizelle und wurden ständig wieder auf mich zurückgeworfen. Einen Heiratsantrag anzunehmen war für mich schon schwer genug, ohne dass Tim mir dazwischenfunkte. Mit ihm war es undenkbar. Es war klar, dass mir in dieser Situation nur Tina helfen konnte, aber mit der war ich leider noch wegen Hannes, Sarah und Tim zerstritten.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Eine von uns musste sowieso früher oder später über ihren Schatten springen. Ich stattete ihr in der Mittagspause in ihrem Beauty-Salon einen Besuch ab und fragte als Erstes verschwörerisch, ob sie alleine sei. Tina bejahte irritiert: »Eigentlich habe ich heute sogar geschlossen, Schätzchen.«
»Das ist gut. Es wird nämlich länger dauern. Hannes hat mir einen Heiratsantrag gemacht.«
Die erwartete Kreisch-Reaktion kam – allerdings nicht von ihr, sondern von Özlem, die in dem Moment aus dem Hinterraum auf mich zuschoss. »Endlich, endlich, endlich, das ist doch Spitze.« Das sagte sie vermutlich nur,
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