Seitenwechsel
ja zum Glück nicht. Also schreib auf.«
Gehorsam schrieb Özlem die schlechte Pseudo-Eigenschaft auf. Dann schauten wir gemeinsam auf die etwas einseitige Liste und merkten gar nicht, dass Tina sie hinter unserem Rücken ebenfalls studierte. Özlem und ich zuckten richtig zusammen, als Tina plötzlich sagte: »Ich habe noch was für die Contra-Seite.« Sie nahm Özlem den Stift aus der Hand und schrieb »Affäre mit Tim« quer über die Seite.
Özlem starrte auf den Zettel und gab ein schrilles »Was, du hast eine Affäre mit Tim?« von sich.
»Nein, ach was, Blödsinn«, erwiderte ich schnell. »Es ist keine … ich meine, wir haben uns getroffen, manchmal, weil … weil … weil man sich eben trifft, wenn man ein gemeinsames Kind hat …«
»… um schnell noch ein zweites gemeinsames Kind zu machen!«, unterbrach mich Tina sarkastisch.
»Nein!« Ich sah sie wütend an. »Um Sachen zu besprechen. Oder Geburtstagsgeschenke zusammenzubauen! Aber man kann Gefühle nun mal nicht einfach so abstellen, wenn man sich zufällig …«
»… auf meinem Dachboden trifft.«
»Fünfmal, wir haben uns allerhöchstens fünfmal da getroffen, das ist keine Affäre.«
Die arme Özlem kam überhaupt nicht mehr hinterher, während Tina und ich uns wütend anblafften. »Was? Ich habt euch heimlich bei Tina getroffen?«
»Zum Reden. Und dann ist es irgendwie …« »… außer Kontrolle geraten.« »… persönlich geworden.«
»Das Wort ist intim, Schätzchen, intim.« »Nein, es war reine Gewohnheit.«
»Du meinst, wenn du Tims Hintern siehst, musst du automatisch seine Gürtelschnalle öffnen?«
»Ja, so ungefähr.« »Das ist ja wohl die dämlichste Erklärung für eine Affäre, die ich jemals von dir gehört habe, Karina!«
»Aber so war es!«
»War? Das heißt, es ist vorbei?«
»Ich weiß es nicht, wir konnten noch nicht darüber reden. Vielleicht ist auch … alles andere vorbei.«
Und genauso schnell, wie das Feuerwerk losgegangen war, war es auch wieder erloschen. Tina sah mich nachdenklich an, dann kritzelte sie mit dem Kugelschreiber erneut auf meiner Liste herum. Ich schaute irritiert auf den Block und sah, dass sie »Affäre mit Tim« nun auch auf die Pro-Seite geschrieben hatte.
»Nicht witzig.«
Tina zündete sich eine weitere Zigarette an. »Nein, ich meine es ja auch ernst. Im Grunde ist deine Affäre mit Tim auch ein weiterer guter Grund, den Heiratsantrag von Hannes anzunehmen. Es ist vielleicht sogar der beste Grund!«
Selbst Özlem, die für solche Logikakrobatik sonst zuständig war, kam nicht mehr mit. Wir hingen beide völlig verdattert an Tinas Lippen. »Durch die Hochzeit mit Hannes könntest du endlich, endlich von Tim loskommen und neu anfangen. Denn scheinbar brauchst du ja so eine Art Ultimatum, um dein Beziehungsleben auf die Reihe zu bekommen und diesen Abschied auf Raten von Tim zu beenden. Also, ich bin absolut pro, ja, du solltest Hannes heiraten. Und zwar so schnell wie möglich.«
Ich starrte Tina immer noch mit offenem Mund an und versuchte, ihre Argumentation in die richtigen Bahnen zu lenken. Ich sollte Hannes also heiraten, weil ich immer noch etwas mit Tim hatte? Das bedeutete im Umkehrschluss, wenn ich nichts mit Tim hätte, müsste ich den Antrag nicht annehmen, weil ich dann auch ohne Hochzeit mein Leben auf die Reihe bekäme. Ah ja, jetzt lichtete sich der Nebel. So merkwürdig es auch klang, Tina hatte mich durchschaut. Ich brauchte ein Druckmittel, um mit Tim Klartext zu reden, und ein Heiratsantrag von Hannes war genau das Richtige.
»Und was ist jetzt mit den Contra-Punkten?«, warf ich schwach ein.
»Schätzchen, du wirst schon darüber hinwegkommen, dass er schlecht kocht, dein Magen ist ja so einiges gewöhnt, und was die Affäre angeht …«
»Es war keine Affäre!«
»Also ist es doch vorbei!«
»Nein, aber …«
»Stopp!« Dieses Mal griff Özlem ein, bevor Tina und ich unsere Module hochgefahren hatten. »Nicht schon wieder. Ich würde sagen, was die Affäre angeht, greifen mildernde Umstände. Wenn sie dazu führt, dass Karina Hannes heiratet, wird sie komplett aus dem Strafregister gelöscht.«
»Sehr gnädig. Heißt das, ich soll Hannes nichts davon erzählen?«, fragte ich überrumpelt.
Özlem schüttelte den Kopf. »Auf gar keinen Fall. Wenn du ihn heiraten willst, würde es eure Beziehung nur unnötig belasten. Und wenn du ihn nicht heiraten willst, hast du sein Herz sowieso gebrochen. Da musst du es ihm ja nicht noch schwerer machen als
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