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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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weil sie im Kopf schon überschlug, wann sie dann in etwa mit den Einnahmen aus meiner Online-Scheidung zu rechnen hatte.
    Ich sah Tina entnervt an. »Ich dachte, du bist allein.«
    »Ist doch nur Özlem«, erwiderte sie ernsthaft überrascht, dass mich das überraschte, als wäre Özlem ihr Alter Ego und kein eigenständiges Individuum. Aber das Alter Ego zerrte an meinem Arm und sprudelte auf mich ein, bis ich in aller Ausführlichkeit von dem besagten Heiratsantrag erzählt hatte. Özlem war total aufgeregt, was mich wunderte, für eine Frau, die ihren Lebensunterhalt mit dem Gegenteil von Heiratsanträgen verdiente. Tina dagegen stand rauchend im Türrahmen und hörte sich alles schweigend an, mit einer Miene, die eigentlich nur eins ausdrückte: »Ich habe es dir ja gesagt.«
    Als ich mit meinen Ausführungen fertig war, schaute ich hilfesuchend zu Tina, aber die gab vor, jetzt doch urplötzlich etwas ganz Dringendes in ihrem geschlossenen Laden erledigen zu müssen. Stattdessen bot sich ihr Alter Ego als Problemlöser an.
    »Also gut, bis wann musst du die Antwort haben?«, fragte Özlem pragmatisch, wie es nur eine gelernte Juristin tun konnte. Als ginge es um ein Preisausschreiben, bei dem man nur lange genug im Internet nach der richtigen Lösung recherchieren musste.
    »Ähm, ich habe da, glaube ich, keinen Einsendeschluss, Özlem«, erwiderte ich sarkastisch.
    »Schon klar, schon klar.« Özlem nickte verständnisvoll, dabei konnte sie nicht annähernd den Umfang meiner Hochzeitsproblematik erahnen. »Weißt du was?«, erklärte sie hilfsbereit wie immer. »Wir machen eine Liste, Pro und Contra. Was spricht für und was gegen die Hochzeit mit Hannes, vielleicht fällt dir dann die Entscheidung leichter.«
    War das etwa eine verbreitete juristische Methode? Wurde so in ihrer Welt über Schuld und Unschuld entschieden? Contra: Der Mann hat eine Bank überfallen und dabei zwei Geiseln erschossen! Pro: Aber er hat auch ein unglaublich süßes Lächeln. Zack, zwei Jahre auf Bewährung. Die nächste Pro-Contra-Liste bitte …
    Aber solange Tina sich noch ihrer Pflicht als beste Freundin, einen Rat beizusteuern, verweigerte, musste ich mich wohl oder übel mit Özlems Methode zufriedengeben.
    »Also, Pro?« Özlem hatte bereits eine Linie quer über einen von Tinas Quittungsblöcken gezogen und sah mich herausfordernd an.
    Pro Hannes? Das war einfach. »Er ist intelligent, verständnisvoll, attraktiv, erwachsen.« Ups, das hörte sich fast so an, als würde ich sonst nur mit unreifen Jungs ausgehen. Aber es stimmte irgendwie, Hannes war erwachsen, im Gegensatz zu Tim, der manchmal ziemlich kindisch sein konnte.
    »Er steckt voller netter Überraschungen, ist faul, wenn er darf, ein Langschläfer und Kaffeetrinker. Und unsportlich!« Der Einfachheit halber hätte ich auch sagen können, er ist das Gegenteil von Tim, aber das verfälschte die Pro-Liste ein wenig.
    »Gleiche Hobbys, hm, ist wichtig in einer Beziehung«, murmelte Özlem, während sie schrieb, und schöpfte dabei wahrscheinlich aus ihrem reichhaltigen Trennungsschatz. Auch wenn ich Kaffeetrinken und unsportlich sein nicht unbedingt als Hobbys bezeichnet hätte.
    »Hannes kommt gut mit Kai klar. Mag Kinder. Und … er wird bald Chefredakteur.«
    Das hatte zwar nicht direkt etwas mit seinen positiven Eigenschaften zu tun, aber es eignete sich ungemein, wenn ich mit ihm angeben wollte. Mein Mann ist Chefredakteur. Mein Mann ist gerade verhindert, er ist nämlich Chefredakteur von Kölns größter Tageszeitung. Ich werde es meinem Mann ausrichten, sobald er mit seinem Chefredakteur-Sein fertig ist. Andererseits gehörte es vielleicht auch auf die Contra-Liste, weil neben dem Chefredakteur wenig Ehemann übrig blieb.
    »Ach, lass das Letzte einfach weg.« Ich überlegte weiter.
    »Liebhaberqualitäten?«, warf Özlem als Stichwort ein.
    »Pro.«
    »Okay, jetzt die Contra-Punkte. Warum solltest du ihn nicht heiraten?«
    Genau, was sprach dagegen? Was waren Hannes’ schlechte Eigenschaften? Er musste schlechte haben, mindestens eine, sonst konnte ich ihn mit meiner Ansammlung von schlechten Eigenschaften erst recht nicht heiraten. »Er … er … er ist ein schlechter …«
    Mir fiel nichts ein.
    »Ja?«, fragte Özlem mit gespannt gezücktem Kugelschreiber.
    »Ich denke ja schon nach«, sagte ich genervt, »er ist ein schlechter … Koch.« Na bitte.
    »Aber du kannst doch auch nicht kochen?«, warf Özlem vorsichtig ein.
    »Ja, aber um mich geht es hier

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