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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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Schlussstrich. Ich wollte die Sache zu Ende bringen. So zögerten wir die Schmerzen nur unnötig hinaus.
    »Was?« Geschockt sah Tim mich an. Er wollte es nicht wahrhaben. Dabei hatten wir uns die letzten Wochen beide ununterbrochen mit ein und derselben Frage beschäftigt. War unsere Liebe noch stark genug für einen Neuanfang? Sie war es nicht. Und ich zog auf meine Art die Konsequenzen, die Tim im Grunde schon mit seiner Affäre gezogen hatte. Langsam ging ich zur Tür, jeder Schritt tat körperlich weh. Ich wollte sie nicht öffnen, denn öffnen würde heißen, dass ich sie auch schließen musste und dass es dann kein Zurück mehr gab. Tim dachte ähnlich und hielt die Tür zu, bevor ich die Klinke runterdrücken konnte.
    Er kämpfte mit sich. Wir wussten beide, was es bedeutete, wenn ich jetzt ging. Wir sahen uns stumm an. Wenn er mich jetzt in den Arm genommen hätte, mich geküsst hätte, mich festgehalten hätte … Aber Tim ließ mich gehen, und ich zog die Tür hinter mir zu.

In Trümmern
    Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich schon stumm in meine muffige Matratze hineingeheult hatte, als Tina plötzlich neben mir stand.
    »Heute Abend betrinken wir uns aber!«
    Sie hatte zwei Flaschen Wein und ihre komplette Spirituosensammlung dabei und stellte sie neben mir auf.
    »Komm her, Schätzchen!« Sie nahm mich in den Arm und ich ließ meinen Tränen weiter freien Lauf. Bis Tinas Bluse durchnässt und ich völlig ausgelaugt war.
    »Rot, weiß, Bacardi, Baileys oder selbstgebrannter Birnenschnaps?«
    »Was macht am schnellsten betrunken?«, fragte ich.
    »Eine ordentliche Mischung aus allem, würde ich sagen.«
    »Okay, dann mal los!«
    »Wir arbeiten uns einfach von rechts nach links durch.«
    Tina war vermutlich die einzige Freundin, die bereit war, sich wegen meines Liebeskummers einen heftigen Kater anzutrinken. Wir stießen mit einem Schluck Bacardi für den Einstieg an.
    »Auf die Französischlehrerin. Auf dass ihr beim Essen die Froschschenkel im Hals stecken bleiben!«
    Wir leerten die Gläser in einem Zug und nahmen uns den Rotwein vor.
    »Darauf, dass sie beim Staubwischen in die Spitze ihres Miniatur-Eiffelturms fällt!«
    Als wir beim Weißwein angekommen waren, spielten wir mit unseren Trinksprüchen das makabre Spiel »Wie bringe ich Tims Geliebte am originellsten um?«
    »Darauf, dass sie sich beim Geigenspielen mit dem Bogen die Kehle durchschneidet.«
    »Spielt sie überhaupt Geige?«
    Dafür, dass wir schon beim fünften Glas und vierten Getränk angekommen waren, nahm Tina es aber ganz schön genau.
    »Sie ist Musiklehrerin. Die spielen immer Geige.«
    »Stimmt. Runter damit.« Wir schüttelten uns, als wir das Glas mit dem selbstgebrannten Schnaps in einem Zug vernichteten.
    »Wie sieht sie überhaupt aus?«, fragte Tina plötzlich, als wäre es wichtig zu wissen, wen wir hier die ganze Zeit wieder und wieder ins Jenseits beförderten.
    »Na, wie soll sie schon aussehen? Groß, blond, mit vollen, sinnlichen Lippen, blassem Teint und einer sexy Stimme, die mindestens drei Oktaven umfasst.« Vor meinem geistigen Auge war Tims Neue eine perfekte Mischung aus der jungen Catherine Deneuve und Anna Netrebko. So perfekt, dass ich mit meinen ein Meter fünfundsechzig, meinen rostfarbenen, nie zu bändigenden Spiralen auf dem Kopf, den Hunderten von Sommersprossen im Gesicht und fünf Kilo zu viel auf den Hüften, ein Andenken an die Schwangerschaft mit Kai, nicht den Hauch einer Chance gegen sie hatte.
    »Und wenn schon. Darauf dass sie sich bei Beethovens Neunter einen Knoten in die Zunge singt und daran erstickt!«
    Aber plötzlich hatte ich keine Lust mehr auf unser Spiel. Tinas Frage hatte mich ins Grübeln gebracht. Was genau war es wirklich, was diese Sarah für Tim so anziehend machte? Was machte sie für ihn interessanter, begehrenswerter, aufregender als mich? Es war die ewige Frage »Was hat sie, was ich nicht habe?«, die mich mit einem Mal nicht mehr losließ.
    Tina bemerkte meine Abwesenheit und drückte mich tröstend an sich. »Hey, denk gar nicht erst darüber nach. Du wirst es nie herausfinden.« Sie hatte mich mal wieder durchschaut und drückte mir ein Glas Weißwein in die Hand. »Heute trinken wir, Schätzchen. Und morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus!«

    Das tat sie auch. Vor allem, weil sie sich zunächst auf die nagelneue Kloschüssel in Tinas nagelneuem Bad beschränkte. Mir war kotzübel, und ich hatte unglaubliche Kopfschmerzen. Aber noch nie war mir ein

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