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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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liegen.
    »Soll ich vielleicht mal mit ihm reden?« Sie musste tatsächlich sehr verzweifelt sein.
    »Bin ich wirklich so eine schlechte Handwerkerin?«, fragte ich entrüstet.
    »Nein, Süße, es ist nur …« In Tina rang ihr Drang, die Wahrheit zu sagen, sichtbar mit ihrer Pflicht als meine beste Freundin, meinen emotionalen Schrägstand nicht noch zu verschlimmern. »Es ist nur nicht nötig, dass du uns im Haus hilfst. Das wäre in deiner jetzigen Situation bestimmt nicht ratsam.«
    Das war deutlich. Und noch deutlicher war, dass ich vor lauter Arbeitsstress offenbar verlernt hatte, nichts zu tun. Ich war so sehr gewohnt, keine Zeit zu haben, dass ich mir schließlich meinen Laptop schnappte und in die Redaktion fuhr. Hannes sah mich überrascht an, als ich pünktlich zu unserer Sitzung auf meinem Stuhl Platz nahm.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er mich anschließend, und ich versuchte, möglichst überzeugend zu wirken, als ich ihm klarmachte, dass meine Erkältung schon nach einem Tag wieder abgeklungen sei. Zum Glück wurde ich von einem Kollegen gerettet, der Hannes dringend wegen eines Artikels sprechen wollte. Ich verzog mich an meinen Schreibtisch und versuchte, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Aber kaum hatte ich meinen Laptop hochgefahren, bekam ich Tim nicht mehr aus dem Kopf. Ich hatte ein besonders witziges Foto von ihm und Kai, auf dem sie mir ihre vom Eis knallrot gefärbten Zungen entgegenstreckten, als Bildschirmhintergrund eingestellt, und so starrten mich die beiden, die bis vorgestern noch die wichtigsten Männer in meinem Leben waren, ununterbrochen an. Schon kamen mir wieder die Tränen. Ich wühlte in meiner Tasche nach einem Taschentuch. Als ich wieder unter dem Schreibtisch auftauchte, stand Hannes erneut vor mir. Ich beeilte mich, meine Tränen wegzuwischen und schnäuzte mir besonders laut die Nase.
    »Ist wirklich alles in Ordnung?«, fragte er besorgt.
    »Ja«, erwiderte ich kurz angebunden und tippte wahllos, um meine Arbeitswut zu unterstreichen.
    »Sie können sich wirklich ein paar Tage freinehmen, wenn Sie wollen.«
    »Nein«, entfuhr es mir ein wenig unfreundlicher, als es dem Chef gegenüber angebracht war, vor allem, wenn er einem freiwillig freigab. »Ich weiß, wie stressig es zum Saisonende immer wird«, fügte ich beschwichtigend hinzu und sah demonstrativ auf meinen Bildschirm.
    »Gut, also dann.«
    Ich nickte ihm zu, aber in Wirklichkeit fiel es mir schwer, jetzt über Meisterschaftsspekulationen, Verletzungspausen und sonstige Banalitäten zu berichten.
    Als Tim mir kurz darauf eine SMS schickte, dass wir uns absprechen sollten, wie wir es Kai beibringen würden, floh ich auf die Damentoilette. Mit »es« meinte Tim das unausgesprochene Wort, die Trennung, und ich hatte keine Ahnung, wie wir sie Kai beibringen sollten. Ich schluchzte eine Weile leise vor mich hin und versuchte anschließend, mein gerötetes Gesicht mit kaltem Wasser wieder auf Vordermann zu bringen. Vergeblich, aber ich hatte schon fast eine halbe Stunde auf der Toilette zugebracht und konnte nicht noch länger warten. Also ging ich mit gesenktem Blick zurück zu meinem Schreibtisch und rannte Hannes dabei direkt in die Arme. Als er mich zum dritten Mal fragen wollte, ob alles in Ordnung sei, platzte mir der Kragen.
    »Nein, es ist nicht alles in Ordnung!«, kam ich ihm zuvor. Hannes spürte, dass ein Ausbruch kurz bevorstand, und zog mich in sein Büro, bevor ich mich vor der versammelten Mannschaft lächerlich machen konnte.
    »Es ist überhaupt nichts in Ordnung. Tim hat sich in seine Französischlehrerin verliebt, weil sie so unheimlich unkompliziert, locker und natürlich supermusikalisch ist. Deswegen haben wir uns vorgestern getrennt. Deswegen habe ich mich danach betrunken, und deswegen hatte ich gestern einen Riesenkater und konnte nicht zur Arbeit kommen, aber das ahnten Sie wohl schon. Weil es nämlich eine absolute Frechheit von Ihnen war, mir danach auch noch freizugeben, damit ich mich auch bloß nicht bei der Arbeit von meinen Beziehungsproblemen ablenken kann, sondern stattdessen das Haus meiner Freundin in Trümmern legen muss. So, jetzt zufrieden?«
    Hannes wirkte ein wenig überrumpelt, aber dafür, dass er sich als Chef gerade einen ziemlich unangebrachten Wutausbruch seiner Mitarbeiterin hatte anhören müssen, antwortete er überraschend freundlich: »Wenn es Ihnen jetzt bessergeht, ja.«
    Ich holte tief Luft. »Ja, ich glaube schon.«
    »Gut, dann frage ich ab jetzt ganz

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