Seitenwechsel
Argen lag, und überlegte sich stundenlang zu Hause die ideale banale Frage, die sie wie nebenbei fallenlassen konnte, nur um am Ende geschickt an die eigentlich gewünschten Informationen zu kommen?
Ich schwieg. Sie hatte mich in der Falle.
»Oder lieber Montag?«, fragte sie noch unschuldiger.
»Wir haben uns getrennt«, sagte ich leise. Es war das erste Mal, dass ich das Wort aussprach. Es hörte sich fremd und unwirklich an.
»Was?«, kam es ungläubig aus dem Hörer.
»Tim und ich sind nicht mehr zusammen. Ich bin ausgezogen«, sagte ich etwas deutlicher und war versucht, den Hörer aufzulegen, weil ich wusste, was folgen würde.
»Was ist passiert?«, fragte sie, nur um sich gleich darauf selbst die Antwort zu geben. »Ihr habt euch gestritten! Hast du Mist gebaut? Du hast ihn doch nicht etwa betrogen, oder? Und ich dachte, dieses Mal würdest du es endlich länger mit einem Mann aushalten! Karina, das kannst du Tim nicht antun. Und Kai, hast du denn auch nur eine Sekunde mal über Kai nachgedacht …«
Ich legte auf. Meine Finger zitterten. Aber ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, als Hannes endlich an meinen Schreibtisch trat. »Letzter Spieltag dieses Wochenende. Schreiben Sie den Rückblick?«
Ich sah ihn verdattert an? Den Rückblick? Normalerweise rissen sich alle darum, weil man sich im Rückblick so wunderbar sarkastisch über die Kuriositäten der Saison auslassen konnte. Und am Ende schrieb ihn doch immer Michael, unser dienstältester Redakteur, weil keiner sich traute, ihm den Artikel streitig zu machen.
»Aber schreibt den nicht immer …?«
»Interessiert mich nicht, wer den immer geschrieben hat. Ich bin neu hier.« Hannes lächelte mich an. »Also?«
In dem Moment klingelte es wieder, aber dieses Mal erkannte ich die Nummer. Ich nahm ab und legte wieder auf, ohne mich zu melden. Hannes sah mich irritiert an.
»Ist privat«, versicherte ich ihm schnell. »Meine Mutter.«
Er nickte, aber es war deutlich, dass er mit seiner Mutter wesentlich freundlicher umging.
»Also, wollen Sie?«
»Ja, und ob!«
»Gut.«
Na also, ging doch. Gespräche mit dem Chef konnten so einfach sein, wenn man nicht immer daran dachte, dass man mit ihm geschlafen hatte.
»Ich will was Bissiges, Humorvolles«, erklärte Hannes schon halb im Gehen. »Und nehmen Sie ja kein Blatt vor den Mund. Aber da brauche ich mir bei Ihnen ja keine Sorgen zu machen.«
Und wenn am Ende nicht immer diese kleinen Seitenhiebe kämen. Ich versuchte, darüber hinwegzuhören, und gratulierte mir stattdessen lieber zu diesem überraschenden Sieg über Michael, der ebenso langweilig redete, wie er schrieb. Er war studierter Sportwissenschaftler mit Doktortitel und ließ das Dr. vor seinem Namen in jedem seiner sorgfältig gewählten Wörter mitschwingen. Vermutlich waren Hannes Dr. Michael Hölzers Artikel ebenfalls zu langweilig. Ja, ganz bestimmt. Hoffentlich. Oder hatte er mir den Rückblick nur gegeben, weil ich mit ihm im Bett gewesen war? Ich wischte die Zweifel daran, dass ich Hannes möglicherweise nicht ausschließlich mit meinen journalistischen Fähigkeiten überzeugt hatte, schnell beiseite. Nein, ich hatte mich auf eine faire Art durchgesetzt. Ich hatte schlichtweg gewonnen, weil ich die besseren Artikel schrieb.
Es klingelte wieder, und dieses Mal rief ich wütend in den Hörer: »Hör auf mich anzurufen, Mama, hör auf, mir Vorwürfe zu machen, hör am besten auf, meine Mutter zu sein, okay!«
»Es tut mir leid.«
Einen Moment lang war ich mir nicht sicher, ob da wirklich meine Mutter am Apparat war.
»Was?«
»Ich weiß jetzt, was passiert ist, und es tut mir leid, dass ich eben so aufbrausend war, Karina. Wie geht es dir denn?«
Ich schüttelte entgeistert den Kopf. Es war immer wieder erstaunlich, wie schnell meine Mutter an Informationen kam, wenn ihre Neugier geweckt war. Und es war noch erstaunlicher, wie schnell Chris, Tims bester Freund und zugleich mein vierunddreißigjähriger Stiefvater, mit Informationen herausrückte, über die er Stillschweigen bewahren sollte, sobald meine Mutter ihn auch nur ein bisschen unter Druck setzte. Mir war es ein Rätsel, wieso Tim seinem Freund immer noch intime Details über unsere Beziehung anvertraute. Aber das war ab jetzt schließlich auch nicht mehr mein Problem.
»Wie soll es mir schon gehen?«, erwiderte ich immer noch ziemlich feindselig.
»Hör zu, du und Kai, ihr kommt am Montagabend zu uns. Dann können die beiden Jungs spielen und wir
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