Seitenwechsel
zerrte mein T-Shirt aus der Hose, ich öffnete seinen Gürtel. Seine Jeans hing ihm auf den Knöcheln und behinderte seinen Gang, als er mich auf den Küchentisch hob und meinen BH öffnete. Wir waren wirklich schnell, so schnell, wie es nur ein eingespieltes Paar sein konnte. Aber wir waren nicht schnell genug. Denn in dem Moment hörten wir Hannes’ Wagen vorfahren.
»Scheiße!«
Wieder einmal mussten wir uns in Sekundenschnelle anziehen. Aber auch darin waren wir seit Neuestem ein geübtes Team. Auf jeden Fall konnte ich Hannes in komplett wiederhergestelltem Zustand begrüßen, als er die Haustür aufschloss. Tim ließ mich mit Hannes und dem Problem, eine Ausrede zu finden, allein. So kam es statt zum zweiten Abschiedssex mit Tim zu einem ausgiebigen Begrüßungskuss mit Hannes. Ich war über mich selbst überrascht, wie erfolgreich ich den erneuten Zwischenfall mit Tim ausblenden konnte, bis Hannes mir zärtlich durch die Haare fuhr und ein paar Krümel Oregano herauspickte.
»Was ist das denn, wolltest du etwa kochen?«
Ich starrte erschrocken auf die grünen Krümel in seiner Hand.
»Ähm, nein … ich bin … gestolpert. Gegen das Gewürzregal. Beim … Müllentsorgen.«
»Mmh, Küchen sind ja lebensgefährlich für dich. Du solltest dich besser von ihnen fernhalten.«
Ich lächelte ihn etwas verkrampft an. »Ja, das sollte ich wohl.« Und Küchen waren nicht das Einzige, wovon ich mich fernhalten sollte.
Was Freunde so tun
Das Problem war die Gewohnheit. Zwischen Tim und mir war in den letzten Jahren vieles zur Gewohnheit geworden, inklusive Sex. Oder zumindest die Abläufe, die dann automatisch dazu führten. Das musste es sein. Auf jeden Fall war es eine logische Erklärung für unsere beiden Ausrutscher. Um also weiteren Zwischenfällen dieser Art vorzubeugen, mussten wir auf unsere Rituale verzichten. Berührungen waren tabu, Blicke, die länger als drei Sekunden dauerten, auch. Gespräche durften einen bestimmten Themenkreis nicht verlassen, Erinnerungen nicht aufgewärmt werden und am besten war überhaupt, wenn Tim und ich uns nicht allein im Raum aufhielten. Wir mussten uns unsere Gewohnheiten abgewöhnen, wenn wir Freunde bleiben wollten.
Ich war zufrieden mit meinen Ergebnissen, zu denen ich mangels Gesprächspartner ganz allein gekommen war. Normalerweise wäre Tina für diese Art Analyse zuständig gewesen, aber ich konnte schlecht zu ihr gehen und ihr unter die Nase reiben, dass Tim und ich nun schon zweimal auf dem Fußboden respektive Tisch gelandet waren, nachdem sie mich gerade monatelang aufgepäppelt hatte. Also musste ich für dieses spezielle Problem selbst eine Lösung finden, und das hatte ich soeben nach mehreren durchwälzten Nächten und genauso fürchterlichen Tagen, in denen ich Hannes gegenüber ununterbrochen ein schlechtes Gewissen hatte, getan. Die Gewohnheiten abgewöhnen!
Während des Lösungsfindungsprozesses hatte ich Tim auf Abstand gehalten. Ich wollte kein Risiko eingehen, solange ich nicht wusste, was da zwischen uns immer wieder für Irritationen sorgte. Seine Anrufe hatte ich abgewimmelt und mir jeden Tag neue Ausreden einfallen lassen, warum ich ihn weder morgens, noch abends, noch in der Mittagspause treffen konnte. Wenn ich ihn das nächste Mal sah, wollte ich mir absolut sicher sein, dass nicht wieder etwas aus dem Ruder lief. Ich wollte entschlossen auftreten, freundlich, aber reserviert. Ich wollte zurückhaltend sein und mich nicht von meinen Emotionen leiten lassen. Aber dann kam Tim einfach so in die Redaktion spaziert, platzte mitten in meine Unterhaltung mit einem Kollegen und forderte mich zu einem klärenden Gespräch auf, was natürlich die denkbar ungünstigste Ausgangsposition für mein kontrolliert reserviertes Gespräch mit ihm war. In erster Linie, weil ich ihn hektisch wieder aus der Redaktion bugsieren musste, bevor Hannes ihn sah.
»Spinnst du?«, fuhr ich ihn barsch an, als wir endlich in seinem Auto saßen, und verließ damit kurzfristig den allgemeinen Verhaltenskodex für ein freundlich-reserviertes Auftreten. Aber Tim konnte mich doch nicht einfach so bei der Arbeit zur Rede stellen, in dem vollen Wissen, dass mein Freund und Chef nebenan saß.
»Irgendwie musste ich nun mal an dich rankommen. Wir müssen doch über das reden, was passiert ist.«
»Nein, wir müssen überhaupt nichts. Du musst aufhören, mich … mit deinen grünen Augen anzustarren, mich zu umarmen, mich durcheinanderzubringen, Tim!«
Als wollte er mich
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