Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
Vom Netzwerk:
ich aus Erfahrung wusste, meine neuen Freunde in meiner Abwesenheit gerne mit endlosen Fragen löcherten.
    »Nein, überhaupt nicht«, lachte Hannes und fügte dann leise hinzu: »Und bei dir?«
    O Gott, ich wurde rot. Ganz bestimmt. Ich musste gerade purpurrot anlaufen, so heftig kribbelte es unter meiner Gesichtshaut. Jede Sekunde musste Hannes mich von oben bis unten durchschauen. Sobald sich das ganze Blut in meinem Kopf gesammelt hatte, würde er wissen, was Tim und ich vor nicht mal fünf Minuten in diesem Raum, auf diesem Teppich getan hatten. Ich versuchte mich schnell von ihm wegzudrehen. Aber scheinbar bemerkte Hannes auch so nichts Ungewöhnliches an meinem Gesicht.
    »Ähm, ja«, krächzte ich leise. »Ich meine, nein, nicht so schlimm, also eigentlich ganz in Ordnung, wobei, das auch nicht wirklich. Aber wahrscheinlich bitter nötig, andererseits … Ähm, weißt du was, ich erzähle es dir später. Hilfst du mir, den Weihnachtsbaum fertig zu schmücken?«

Ein eingespieltes Paar
    Doch, es war schlimm. Ich hatte Sex mit dem Ex, schlimm genug. Als würde das noch nicht ausreichen, um mir ein schlechtes Gewissen zu machen, tröstete mich mein betrogener Freund auch noch auf dem Nachhauseweg, weil er glaubte, ich hätte mich mit Tim gestritten und wäre deswegen so schweigsam. Aber das Schlimmste an diesem Abend war, dass die Sache zwischen Tim und mir ungeklärt geblieben war. Meine Mutter hatte vielleicht mit ihrer Versöhnungsstrategie kurzfristig Erfolg gehabt, aber danach versuchten Tim und ich umso krampfhafter, wenn auch um einiges höflicher, uns für den Rest des Abends aus dem Weg zu gehen. Am Ende hatten wir uns nur noch steif per Handschlag verabschiedet. Tim hatte den schlafenden Kai in sein Auto gepackt und war mit ihm und Sarah direkt in den Ski-Urlaub aufgebrochen. Wir hatten keine Gelegenheit mehr, uns über den Zwischenfall zu unterhalten. Also blieb er oder vielmehr das, was er zu bedeuten hatte, wie ein großes Fragezeichen zwischen uns stehen und würde es auch noch eine Weile bleiben.
    Und wieder einmal begann für mich das unerträgliche Warten auf Tim. Ich wollte ihn nicht im Urlaub anrufen und sowieso war es keine Angelegenheit, die man mal gerade eben am Telefon besprach. Mehrmals kämpfte ich mit mir, ob ich es Hannes beichten sollte, und entschied mich am Ende dagegen, weil es eben nicht mehr als Sex, unromantischer, hektischer Sex mit dem Ex gewesen war. Abschiedssex vermutlich, aber genau das war eine der Fragen, denen ich nachgehen musste. Erfahrungsgemäß war es schließlich nicht unüblich, dass man noch einmal mit dem Ex ins Bett stieg, nachdem man sich getrennt hatte. Meistens doch, um der Sache einen runden Abschluss zu geben. Höchstens noch, um auszutesten, ob da auch wirklich nichts mehr war. Im besten Falle, um eine angenehme Erinnerung an die gemeinsame Zeit zu behalten. Aber bei Tim und mir traf das alles nicht zu. Immerhin war seit unserer Trennung fast ein Dreivierteljahr vergangen. Es war zu spät, um sich auf diese Art zu verabschieden, geschweige denn, Gefühle auszutesten, schließlich steckten wir beide knietief in neuen funktionierenden Beziehungen. Und es war auch nicht die Art von Sex mit ihm gewesen, die ich gerne in Erinnerung behalten wollte. Ich zerbrach mir eine Woche lang den Kopf darüber, wie das zwischen Tim und mir hatte passieren können, wie ich es einzuordnen hatte und, vor allem, wie es zwischen uns weitergehen sollte. Eine Woche lang konnte ich kaum schlafen oder mich auf meine Arbeit konzentrieren, weil vor meinem inneren Auge immer wieder Tim und ich nackt auf dem Fußboden auftauchten. Zum Glück bekam Hannes von all dem nichts mit, weil er als passionierter Wintersportler einer Einladung zur Vier-Schanzen-Tournee gefolgt und ebenfalls die ganze Woche verreist war. Umso mehr Zeit hatte ich, eine Antwort zu finden. Das war auch dringend nötig, denn unmittelbar nach seinem Ski-Urlaub mit Kai und Sarah stand Tim vor meiner Tür und stellte die gleichen Fragen.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er so bald auftauchen würde. Aber es beruhigte mich, dass er das Thema offenbar genauso schnell wie ich aus der Welt schaffen wollte. Wir hielten uns eine Weile mit Smalltalk auf, der Urlaub war schön, der Schnee pulvrig und Kai natürlich ein echtes Naturtalent, was er wohl von seinem Vater haben musste, weil seine Mutter sich auf Skiern keine drei Sekunden aufrecht halten konnte. Höfliches Lachen, Stille, dann gab es eigentlich nur noch ein

Weitere Kostenlose Bücher