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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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Herd aufgeschlagen lag und genauso unbenutzt wirkte wie die Küche. Ich musterte ihn prüfend, während er umständlich auf die Petersilie einhackte, und versuchte herauszufinden, ob er etwa das vorhatte, was Männer, die nicht kochen konnten, meistens vorhatten, wenn sie ganz gegen ihre Gewohnheiten den Herd belagerten. Nicht dass ich Erfahrungen damit hatte. Ich kannte es bisher nur aus Erzählungen, aber die ähnelten sich dafür auffallend und beinhalteten nicht selten die Komponenten Kochen, Kerzen und Heiratsantrag.
    Aber Hannes musste sich viel zu sehr auf das feine Zerhacken der Petersilie konzentrieren, als dass ich aus seinem angespannten Gesichtsausdruck mehr lesen konnte, außer dass er vermutlich zum ersten Mal kochte. Ich nahm das Kochbuch in die Hand und blätterte scheinbar interessiert darin herum, während ich unauffällig nach Desserts Ausschau hielt, in denen er den vermeintlichen Verlobungsring hätte verstecken können. Hannes war ungewöhnlich still. Sein Verhalten war mehr als verdächtig. Und nicht einmal der Titel des Kochbuchs konnte mich beruhigen.
    »Kochen für Singles?«, fragte ich irritiert.
    »Ja. Andere Kochbücher habe ich leider nicht. War ein Abschiedsgeschenk meiner Exfreundin.«
    »Sehr subtil.«
    »Sie war Köchin und konnte es wohl irgendwann nicht mehr ertragen, dass ich nie rechtzeitig zum Essen zu Hause war.«
    Ich lächelte ihn mitleidig an, aber auch diese Erklärung passte nur zu gut in das sich allmählich verfestigende Gesamtbild. Er benutzte also symbolträchtig ein Rezept aus einem Single-Kochbuch, das noch dazu das Lebe-Wohl-oder-Fahr-zur-Hölle-Geschenk seiner Ex war, um mit mir ein von Ringen und Ja-Wörtern besiegeltes Leben zu zweit zu beginnen.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Hannes, nachdem ich wohl etwas zu lange auf den Titel des Kochbuchs gestarrt hatte. Ich nickte und stahl mich schnell mit der Ausrede davon, vor dem Essen noch dringend einen Anruf erledigen zu müssen.

    »Er will mir einen Antrag machen!«
    »Was denn, heute?« Tinas Antwort war nicht sehr hilfreich.
    »Natürlich heute, und zwar in wenigen Minuten. Es sei denn, er hat vor, die Fettucine alla irgendwas einzufrieren und dann zu gegebenem Anlass aus der Tiefkühltruhe zu holen. Hast du mich nicht verstanden: Hannes kocht!«
    »Vielleicht hat er Hunger.«
    »Tina!!!« Sie verstand eindeutig nicht den Ernst der Lage.
    »Na gut, dann freu dich doch.«
    »Freuen?«
    »Mein Gott, du liebst ihn doch, oder?«
    »Ja, schon.«
    »Und er liebt dich.«
    »Vermutlich.«
    »Und wenn ihr verheiratet seid, ist das ganze Chef-liebt-Untergebene-Versteckspiel endlich vorbei. Also, freu dich!«
    Tina neigte manchmal dazu, die Dinge allzu sehr zu vereinfachen.
    »Aber … es ist zu früh.« War sie nicht diejenige gewesen, die mir Hannes von Anfang an ausreden wollte, weil ihr stellvertretend für mich alles ein bisschen zu schnell ging? Woher kam denn dieser plötzliche Sinneswandel?
    »Schätzchen, du wirst dieses Jahr siebenunddreißig. Der weibliche Körper verliert ab fünfunddreißig schon jedes Jahr an Muskelmasse, die im Übrigen durch pures Fett ersetzt wird, und von der stetig sinkenden Anzahl fruchtbarer Eier in deinen Eierstöcken will ich gar nicht erst reden. Also, nein, es ist nicht zu früh.«
    »Na, vielen Dank auch.« Rein biologisch gesehen mochte sie vielleicht recht haben. Aber ich wollte so eine Entscheidung nicht von meinen Eizellen abhängig machen.
    »Sag einfach ja.«
    »Aber …«
    »Aber was?«, seufzte Tina genervt ins Telefon. Natürlich konnte ich ihr jetzt schlecht erklären, dass Tim und ich gerade versuchten, Freunde zu werden, und dass dieses komplizierte Unterfangen durch eine Hochzeit möglicherweise völlig durcheinandergeraten würde. Also stotterte ich mir einen anderen Grund zurecht. »Aber … ich kenne Hannes doch noch gar nicht so lange.«
    »Dann sag eben nein, mein Gott, dafür sind diese Anträge schließlich da. Es ist nur eine Frage. Eine ganz einfache Frage. Und du antwortest ja oder nein, okay? Das kriegst du schon hin. Sorry, Schätzchen, aber ich muss jetzt wirklich Schluss machen. Tanzkurs, Tschau-Tschau.«
    Sie legte auf, ohne meinen Einspruch abzuwarten, und ließ mich mit dem drohenden Heiratsantrag einfach alleine.
    Ich konnte meine Nervosität nur schwer verbergen, als ich Hannes schließlich am geschmackvoll gedeckten Tisch gegenübersaß. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben. Eine lange schmale rote Kerze flackerte romantisch vor sich hin, im

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