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Seitenwechsel

Seitenwechsel

Titel: Seitenwechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leipert Sabine
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gleich wieder auf die Probe stellen, starrte er mich schon wieder viel zu lange und viel zu unschuldig an und fragte: »Also gibst du mir jetzt die Schuld dafür?«
    »Ja!«
    Tim schüttelte den Kopf und gab ein komisches Grunzgeräusch von sich. Das tat er immer, wenn er wusste, dass ich wusste, dass ich falsch lag.
    »Also gut, beim ersten Mal waren wir irgendwie beide schuld«, gab ich zu. »Aber beim zweiten Mal wolltest du das erste Mal wiederholen, nicht ich, und du wusstest genau, dass ich mich nicht wehren konnte, weil …« Ich suchte nach einem nachvollziehbaren Grund, warum ich mich nicht hatte wehren können, und Tim wusste, dass es den nicht gab, und bohrte genau deswegen nach: »Das würde mich jetzt auch interessieren.«
    Ich atmete einmal tief durch und versuchte dann elegant und unauffällig zu meiner frisch gewonnenen Erkenntnis überzuleiten: »Die Gewohnheit.«
    »Die Gewohnheit?«, fragte er immer noch amüsiert.
    »Ja, zwischen dir und mir. Es ist die Gewohnheit. Wir waren nie Freunde. Wir sind es gewohnt, mehr als Freunde zu sein. Und deswegen fällt uns das Freundesein jetzt natürlich schwer. Irgendetwas erinnert uns immer an früher, und dann …«
    »… haben wir Sex. Verstehe.« Tim sah mich kopfschüttelnd an, und für einen Moment glaubte ich, diesen Blick in seinen Augen wiederzuerkennen, den ich am Anfang unserer Beziehung so oft gesehen hatte. Diesen »Okay, ich weiß, dass Karina verrückt ist, aber ich liebe sie trotzdem«-Blick, und sofort klopfte mein Herz schneller und bestätigte noch mal, dass ich mit meiner Theorie genau richtig lag.
    »Ich meine es ernst, Tim, Freunde zu sein ist nicht einfach.«
    Jetzt wurde Tim auch wieder ernster und nickte zerknirscht. »Ich weiß. Ich bin ja auch nicht gerade stolz auf unsere …« Er suchte nach dem passenden Begriff, und ich half ihm schnell mit dem Wort aus, auf das wir uns geeinigt hatten.
    »… Ausrutscher.«
    »Ja. Das hat es nicht gerade leichter gemacht, was?«, sagte er und lächelte dabei verlegen.
    Ich nickte.
    »Ich will wirklich, dass das mit uns klappt, Karina. Schon wegen Kai.« Es hörte sich fast flehend an.
    »Ich ja auch, Tim«, stimmte ich ihm zu. »Deswegen sollten wir erst mal Abstand voneinander halten.« Tim schaute überrascht auf und ich schob schnell hinterher: »Als Freunde natürlich.«
    »Und was ist der Unterschied zu vorher?«
    »Dass wir miteinander reden, wenn wir uns sehen. Freundlich. Und ausschließlich.«
    Tim schüttelte den Kopf, bemühte sich aber trotzdem zu lächeln. »Okay, das sollten wir hinkriegen, oder?«
    »Ja.«
    Wir sahen uns an, und unser Blickwechsel dauerte eindeutig länger als die erlaubten drei Sekunden, doch zum Abschied wollte ich das noch einmal durchgehen lassen. Aber dann beugte Tim sich plötzlich zu mir rüber und machte Anstalten, mich zu umarmen. Ich wich hektisch zurück und hob abwehrend meine Hände. »Was hast du vor?«
    »Ich wollte mich nur verabschieden«, erklärte Tim irritiert.
    »Nein. Du wolltest mich umarmen, und genau das meinte ich mit Gewohnheit. Freunde verabschieden sich nicht so.«
    Tim musste schon wieder grinsen. »Sondern?«
    Ich schüttelte den Kopf und stieg aus. Dann beugte ich mich noch mal zum Fenster runter und sagte: »Mach’s gut, Tim.«
    So verabschiedeten sich Freunde.

Fangfragen
    Es roch nach Essen, als ich die Haustür aufschloss. Nach selbstgekochtem Essen, und das war das eigentlich Beunruhigende daran. Bei Hannes und mir roch es nie nach selbstgekochtem Essen. Wenn überhaupt, dann roch es nach selbstaufgebackener Tiefkühlpizza oder nach selbstbestelltem Essen vom Perser um die Ecke. Aber es roch ganz bestimmt nicht nach …
    »Fettucine Buscaiola«, klärte Hannes mich auf, als ich neugierig in die Töpfe schaute.
    »Du kannst kochen?« Die Überraschung, die in meiner Stimme mitschwang, war echt. Bis jetzt hatte ich geglaubt, Hannes’ Zehntausend-Euro-Hochglanzküche wäre nichts als Dekoration, ein reines Ausstellungsstück, in der lediglich die Espresso-Maschine keine Attrappe war. Ich war mir sicher, dass Hannes sie, seit er hier eingezogen war, noch kein einziges Mal benutzt hatte. Und die Tatsache, dass er es jetzt tat, um ganz offensichtlich eine Art Dinner für zwei zu kochen, machte mich irgendwie nervös.
    »Nein«, antwortete Hannes. »Aber für hoffnungslose Fälle wie mich gibt es diese kleinen Hilfsmittel mit detaillierter Anleitung, genannt Kochbuch.« Hannes deutete mit dem Kinn auf das kleine Heft, das neben dem

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