Seitenwechsel

dass der Kuchen von Sarah ausgezeichnet gewesen war.
    »Wirklich?«, strahlte sie. »Kai hat gesagt, dass er immer Apfelkuchen zum Geburtstag bekommt. Aber ich wusste nicht, was für einen. Welches Rezept nimmst du denn immer, gedeckt, mit Streuseln, oder einfach?«
    »Ähm, einfach«, log ich, und zwar ganz einfach aus der Supermarkt-Tiefkühltruhe zum Aufbacken in dreißig Minuten.
    »Ach so. Na ja, Hauptsache Kai konnte ordentlich im Teig rumkneten.«
    »Ja, das macht er am liebsten«, baute ich meine Lüge weiter aus und fühlte mich jetzt nicht mehr nur wie eine schlechte Exfreundin, sondern auch noch wie eine schlechte Mutter.
    »Ich backe ja wirklich gerne«, fuhr Sarah fort.
    Das sieht man, lächelte ich stumm und suchte händeringend nach einer weniger zickigen Antwort.
    »Leider sieht man das auch.«
    Das hab ich jetzt aber nicht gesagt, dachte ich zu meiner Verteidigung. Aber Sarah trieb mich mit ihrem uneitlen Geständnis weiter in die Enge. Darauf wusste man unter normalen Umständen schon nichts zu sagen, aber gegenüber der übergewichtigen Neuen seines Ex, mit dem man vor ein paar Stunden noch hinter ihrem Rücken geschlafen hatte, war eine harmlose Antwort so gut wie ausgeschlossen.
    »Och, äh, na ja«, wand ich mich und kroch noch tiefer in die Spülmaschine.
    »Tim hat gesagt, dass du und Tina jetzt Nordic Walking macht?«
    Ich kannte diesen harmlosen Unterton, der eigentlich nur eine Funktion hatte, nämlich einen dazu zu zwingen zu sagen, ja klar, komm doch mal mit.
    »Na ja, nicht wirklich, ähm, ohne diese komischen Stöcke, und eigentlich ist es auch eher ein langsames Spazierengehen … also, viel abgenommen habe ich noch nicht …«, stammelte ich vergeblich, denn hinter mir schmetterte Tina lautstark: »Redet ihr vom Walken? Das ist echt klasse, wenn du willst, kannst du ja mal mitkommen, Sarah.«
    Ach, plötzlich konnte sie also wieder reden und dann gleich so einen Unfug.
    »Das würde ich wirklich gerne, wäre das denn in Ordnung?« Sarah hatte ihre Frage eindeutig an mich gerichtet, aber Tina drückte mir einen Stapel krümeliger Kuchenteller in die Hand und übernahm das Antworten im Gegenzug für mich. »Zu dritt macht es doch viel mehr Spaß, und Karina hat bestimmt nichts dagegen.«
    Ja, Tina war wirklich altersweise geworden. Sie wusste jetzt offensichtlich, dass man mit Moralpredigten bei mir nichts ausrichten konnte, und schlug eine härtere Gangart ein.

Auch nur ein Mensch
    Natürlich war sie schon da, als ich mich vom Fahrrad schwang. Ich war ohne Helm gefahren. Wahrscheinlich verpetzte sie mich nachher bei Tim. ›Karina ist schon wieder ohne Helm gefahren, Schatz, stell dir doch nur mal vor, was die ganzen I-Dötzchen jetzt wieder denken, die sie heute Morgen beinahe umgemäht hat, als sie bei Rot über die Ampel und dann falsch herum in die Einbahnstraße gefahren ist.‹
    Natürlich würde sie mich nicht verpetzen, aber es tat meiner schlechten Laune gut, das zu glauben. Ich ging mit einem eingestanzten Lächeln zu ihr. »Hallo.«
    »Hi.« Sie strahlte mich mit ihren blauen Augen an, und ich wusste augenblicklich, dass die Runde eine Tortur werden würde und dass die fünf Kilometer, die wir walken mussten, das geringste Problem dabei sein würden.
    »Ganz schön warm heute.« Den Satz hatte ich mir schon auf der Fahrt zurechtgelegt.
    »Ja, endlich, der Winter war lange genug.« Sah sie denn in allem immer nur das Gute?
    Ich versuchte weiter, meine miese Laune zu verbreiten. »Da werden wir wohl ganz schön ins Schwitzen geraten.«
    »Umso besser, dann nehmen wir gleich doppelt so viel ab.« Ihr Lachen war echt, meins nicht. Na gut, dann konnte ich ihr die Laune eben nicht verderben.
    »Müssen wir uns eigentlich stretchen, oder so?«
    Fragte sie allen Ernstes mich nach einem sportlichen Rat?
    »Wahrscheinlich«, antwortete ich souverän, wie es sich für eine Sportjournalistin gehörte. »Aber Tina und ich gehen normalerweise einfach los.«
    »Gott sei Dank, ich bin auch nicht so gelenkig.« Wieso auch ? Woher wollte sie wissen, wie gelenkig ich war? In bestimmten Situationen konnte ich sogar sehr gelenkig sein, aber die waren für Smalltalk eher ungeeignet. Ich überlegte stattdessen, ob es noch irgendwelche Facetten an dem ausgesprochen warmen Wetter gab, die wir noch nicht erwähnt hatten. Den Wetterbericht hätte ich mal hören sollen, dann könnte ich jetzt sagen, dass gegen Nachmittag aus Nord-Nord-Ost Wolken aufzögen, die ungemütliches Aprilwetter mit sich