SEK – ein Insiderbericht
Streifendienstes. Während die Kollegen sich unverzüglich ihre Schutzwesten und Bewaffnung anlegen, gehen Jack und ich zum Einsatzleiter der Streifenkollegen, um uns mit neuesten Informationen zu versorgen. Wir finden diesen, wie so häufig, in einem zur provisorischen Einsatzzentrale auserkorenen VW-Transporter.
Wir schütteln dem Kollegen die Hand, und dieser beginnt auch sofort zu berichten: »Wir haben die gesamte Straße abgesperrt und auch die benachbarten Häuser so weit evakuiert, dass sich in den Räumen, die in Richtung des Zielgebäudes liegen, niemand mehr aufhält. Die Ehefrau unserer Zielperson befindet sich dort drüben …«
Der Kollege weist mit seinem Daumen auf einen weiteren VW-Transporter, in dem eine etwa fünfzigjährige Frau sitzt, die von einer Polizistin betreut wird. »Wir haben ihr bei unserem Eintreffen eine scharfe Walther PPK abgenommen, aus der, dem Geruch nach zu urteilen, geschossen wurde. Im Magazin fehlen drei Patronen.«
»Was sagt sie denn, was passiert ist, und woher hat sie die Waffe genau?«, fragt Jack zurück.
»Die Frau macht insgesamt einen etwas verwirrten Eindruck, sie sagt, die Waffe gehört ihrem Mann, der Jäger ist und daher mehrere Schusswaffen legal besitzt. Ihr Mann hätte diese Waffe zum Schutz vor Einbrechern nicht im Tresor bei den übrigen Waffen, sondern im Flur in einem Schrank deponiert und ihr auch gezeigt, wie man damit umgeht.«
»Tja, das hätte er wohl mal besser nicht gemacht«, sagt Jack und grinst den uniformierten Kollegen breit an, »und was sagt sie denn, was jetzt genau passiert wäre?«
In diesem Moment plärrt das Funkgerät des Kollegen vom Streifendienst, und ein in der Absperrung stehender Beamter des Streifendienstes meldet sich mit einer Anfrage, die der Kollege beantwortet, bevor er sich wieder uns zuwendet: »Die Frau gibt an, sie hätte sich mit ihrem Mann sehr heftig gestritten und ihm dann eröffnet, dass sie sich scheiden lassen wolle. Daraufhin sei ihr Mann aufgestanden, aus dem Raum gegangen und kurz darauf mit einem Gewehr in der Hand wieder zurückgekommen. Als sie ihren Mann mit dem Gewehr gesehen habe, sei sie in Richtung Haustür weggelaufen und habe hinter sich einen Schuss gehört. Sie habe in ihrer Panik die Pistole aus der Kommode im Flur genommen, und als ihr Mann mit dem Gewehr hinter ihr hergekommen sei, habe sie in seine Richtung gefeuert.«
»Hat sie getroffen?«, frage ich trocken, während ich versuche, mir diesen sehr ungewöhnlichen Sachverhalt bildlich vorzustellen.
»Sie sagt, das wisse sie nicht«, antwortet der Kollege, »aber ihr Mann wäre danach nicht weiter hinter ihr hergelaufen, und so sei es ihr gelungen, aus dem Haus zu fliehen.«
»Hat die Frau einen Haustürschlüssel mitgenommen?« fragt Jack den Kollegen. Falls dies der Fall wäre, hätte das für uns natürlich einige Vorteile. Wir könnten beispielsweise versuchen, die Haustür ohne große Geräuschkulisse zu öffnen. Hierdurch wäre es eventuell möglich, den Mann im Inneren zu überraschen und festzunehmen, ohne dass er eine Chance zur Gegenwehr hätte – die gewiss für alle Beteiligten glimpflichste Variante.
»Tut mir leid«, antwortet der Kollege des Streifendienstes und macht damit unsere Hoffnungen zunichte, »aber die Frau hat gar nichts aus dem Haus mitnehmen können, und nach ihrer Aussage hat auch niemand sonst einen Schlüssel für das Haus.«
Woraufhin Jack mich bittet: »Peter, kannst du dir mal das Gelände anschauen, ich telefoniere inzwischen mal mit dem Polizeiführer …«
Bei dem Zielgebäude und den umliegenden Nachbarhäusern handelt es sich um eingeschossige Bungalows ohne nennenswerte Besonderheiten. Während Jack das erste Gespräch mit dem Polizeiführer führt, dirigiere ich schon einmal einige Kollegen des Einsatzteams in die Nähe der Haustür. Sie sind mit Brechwerkzeugen ausgerüstet, um sich notfalls durch diese Tür einen Zugang in das Innere des Bungalows zu bahnen. Es ist wichtig für uns, möglichst schnell ein Notangriffsteam in Bereitschaft zu haben, um notfalls unmittelbar eingreifen zu können, falls die Lage aus irgendeinem Grund eskalieren sollte, etwa wenn die Zielperson aus dem Fenster auf umliegende Gebäude schießen sollte. Ein Notzugriff ist allerdings für die durchführenden Kollegen eine sehr riskante Angelegenheit, da sie in aller Regel mit wenig Informationen in eine Situation geworfen werden, die völlig unberechenbar geworden ist. Ein Notzugriff wird also in aller Regel nur
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