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SEK – ein Insiderbericht

SEK – ein Insiderbericht

Titel: SEK – ein Insiderbericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schulz
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SEK wurde eine Freigabe eines finalen Rettungsschusses niemals leichtfertig und wenn, dann eher zu spät als zu früh erteilt. Immer war dann entweder die Bedrohung von Menschenleben durch den Täter exorbitant hoch oder er hatte bereits Personen verletzt oder umgebracht. Den Kritikern des finalen Rettungsschusses, die aus politischen oder moralischen Gründen dem Staat generell das Recht absprechen, einem Menschen das Leben zu nehmen, möchte ich entgegenhalten, dass ihre Meinung sicher eine ganz andere wäre, wenn ihr eigenes Kind oder ein naher Angehöriger unmittelbar mit dem Tode bedroht wäre und die Polizei die Möglichkeit hätte, durch einen gezielten, tödlich wirkenden Schuss diese Bedrohung zu beenden. Wer, wie ich, einmal in die Augen von Eltern blicken musste, deren Kinder in einem Kindergarten von einem Geiselnehmer mit dem Tode bedroht wurden, der wird diesbezüglich sicherlich eine differenziertere Haltung einnehmen. Zugleich bin ich, was manchen Leser vielleicht überraschen mag, jedoch ein erklärter Gegner der Todesstrafe, aufgrund der festen Überzeugung, dass diese fragwürdige und angeblich abschreckende Strafe über die Jahrhunderte hinweg nie Verbrechen verhindert hat. Zudem hat ein Staat für meine Begriffe nicht das Recht, aus rein repressiven Gründen ein Menschenleben zu fordern. Dieses Recht ergibt sich aus meiner Sicht einzig und allein aus der Situation der Bedrohung von unschuldigen Menschenleben, wie es beispielsweise bei Geiselnahmen vorkommen kann.
    Ferner gebe ich zu bedenken, dass die Freigabe eines finalen Rettungsschusses nicht zwangsläufig den Tod eines Täters zur Folge hat. SEK-Beamte sind Profis. Dies bedeutet, dass auch bei einer Freigabe des finales Rettungsschusses der Täter dann nicht final bekämpft wird, wenn die eingesetzten Beamten erkennen, dass er keine größere Bedrohung mehr darstellt (in dem er beispielsweise aufgibt) oder er möglicherweise mit rein körperlicher Gewalt überwältigt werden kann. Schon aus rein professioneller Sicht ist für jeden SEK-Beamten die Anwendung des finalen Rettungsschusses das allerletzte Mittel, welches auch dann nicht zwingend angewendet wird, wenn die rechtlichen Voraussetzungen hierfür eigentlich gegeben sind.
    »Hier Peter, verstanden.« Ich quittiere die Durchsage der Befehlststelle und weiß, dass bei einer derart einschneidenden Anordnung wie der Freigabe des »finalen Rettungsschusses« die Befehlsstelle alle eingesetzten SEK-Kräfte abfragt und sich die Durchsage quittieren lässt. Dies geschieht in aller Regel durch den Führer der entsprechenden Teileinheit, da ich aber allein auf dem Dach liege, muss ich die Durchsage auch selbst bestätigen. Sofort beginne ich darüber nachzudenken, was das für mich bedeuten könnte. Ich habe einen direkten Blick in einen Großteil des Kassenraums. Zwar habe ich den Täter bisher noch nicht gesehen, aber das kann sich ja jederzeit ändern, wenn er beispielsweise auf die nicht unwahrscheinliche Idee käme, einen Kontrollgang durch den Kassenraum zu machen.
    Ich betätige mein Funkgerät: »Hier Peter. Nach meiner Einschätzung bin ich hier in einer idealen Schussposition, falls der Täter sich in dem von mir einsehbaren Kassenraum zeigen sollte. Entfernung maximal 15 Meter. Hab ich dann die Freigabe für einen Schuss auf den Täter?«
    Nach dieser Anfrage ist einen Moment Ruhe im Funk, bevor die Antwort kommt: »Das wird abgeklärt, insbesondere die Koordination mit Kräften außerhalb der Bank. Derzeit noch keine Freigabe.«
    Diese Antwort hatte ich erwartet. Falls ich die Chance bekäme, auf den Täter zu schießen, wäre die Lage natürlich noch nicht beendet. Unmittelbar nach der Schussabgabe müssten andere SEK-Kräfte in die Bank eindringen, um die Geiseln zu evakuieren und um sicherzustellen, dass der Täter wirklich handlungsunfähig wäre.
    Ich liege wieder in meiner mehr oder weniger ungemütlichen Beobachtungsposition und versuche, im Inneren der Bank Bewegungen zu erkennen, was auch weiterhin nicht gelingt. Nach längerer Zeit meldet sich schließlich die Befehlsstelle über Funk: »Freigabe für einen tödlich wirkenden Schuss auf den Täter ist erteilt, sofern du sicherstellen kannst, dass der Täter nach der Schussabgabe handlungsunfähig ist.«
    Toll, denke ich, was heißt denn hier »sicherstellen«? Natürlich würde ich versuchen, den Täter durch einen gezielten Schuss in den Kopf sofort handlungsunfähig zu machen, aber was ist in solch einer Situation schon

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