Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
halten.
»Amber …«
»Ja?«, sage ich und versuche den Stress aus meiner Stimme rauszuhalten.
»Da ist ein Anruf …«
»Kannst du dich nicht darum kümmern, Dom?«, erwidere ich.
»Nun, nein, nicht wirklich. Es ist die Polizei.«
Ich blicke in sein ernstes Gesicht und halte meine Panik in Schach. »Was ist denn passiert? Ist was mit meinem Dad?«
»Deinem Dad? Nein, es ist für Oscar. Man hat seine Tochter festgenommen.«
Oscar ignoriert ganz offensichtlich meine Versuche, ihn beiseitezunehmen. Also muss ich praktisch schreien, um mir seine Aufmerksamkeit zu sichern, und kann nur hoffen, dass Susan viel zu beschäftigt ist, der Saucensektion Angst einzujagen, als mitzuhören.
»Hör mir zu, Oscar, Tallulah ist verhaftet worden.«
Er sieht mich an, sein Gesicht ist weiß. »Was?!«
»Ist schon gut, ist schon gut, ihr geht es gut. Sie hat ein Auto gegen einen Laternenpfahl gefahren …«
»Sie kann doch gar nicht fahren«, sagt er mit wildem Blick. Alle sehen her, und ich versuche ihnen subtil zu signalisieren, dass sie weiterarbeiten sollen. Auf gar keinen Fall dürfen wir den Eindruck einer Küche in der Krise vermitteln.
»Es geht ihr gut, aber sie wurde verhaftet, weil sie ohne Führerschein gefahren ist.«
Oscar kann seine Wut kaum im Zaum halten. Nach einem Blick auf Susan schlägt er mit seiner Faust auf seine Arbeitstheke und lässt kaum hörbar eine Tirade los. »Sie hat verdammt noch mal Hausarrest und weiß das auch. Sie widersetzt sich nicht nur meinen Anweisungen, sondern tut das auch noch auf die respektloseste Weise, die man sich nur vorstellen kann.«
Wieso führen wir dieses Gespräch? Ich möchte ihm gern sagen, dass genau das der Punkt ist, sie ihm auf die spektakulärste Weise, die sie kennt, den Finger zeigt. Ich führe ihn hinaus, ziehe ihn hinter die Schwingtüren, wo Susan uns nicht sehen kann, und versuche ihm dies mit Engelszungen zu vermitteln.
»Sie sucht deine Aufmerksamkeit«, erkläre ich ihm. »Sie will sich vergewissern, dass du dich um sie kümmerst, und schlägt dabei den Weg ein, der ihr als Teenager den meisten Erfolg verheißt.«
»Aber sie weiß doch, dass ich mich um sie kümmere. Verdammt noch mal, für dieses Abendessen habe ich ein Vermögen ausgegeben.«
»Sie braucht Zeit mit dir«, sage ich, »vor allem jetzt. Was zwischen dir und Lydia vorgefallen ist, dürfte sie völlig aus der Bahn geworfen haben.«
»Und wo ist die verdammte Lydia?«, geifert Oscar. »Ich mache das alles doch nur für sie« – er hält inne –, »für Tallulah«, noch mal Pause, »und so vergilt sie es mir.«
Keine Zeit. Keine Zeit, ihm von meinem aufkeimenden Verdacht zu erzählen, dass es ein Pakt mit dem Teufel ist, die Belohnung auf später zu verschieben. Es ist eine ganz schlechte Form der Rente, sich mit der Vorstellung eines rosigen Lebensabends in der Arbeit aufzureiben, um dann festzustellen, dass man sich fatalerweise von allem und jedem entfremdet hat, was diesem einen Sinn verliehen hätte. Wer möchte schon ein einsamer alter Vogel im goldenen Käfig sein?
»Sie erreichen niemanden unter ihrer Nummer, und außerdem …« Ich nehme seine Hand und sehe mich dabei fast unbewusst um, ob nicht Dom irgendwo in der Nähe ist. Er befindet sich am anderen Ende des Restaurants und ist mit ein paar Geschäftsmännern befasst, die äußerst wählerisch zu sein scheinen. »Es wäre ohnehin das Allerbeste, wenn ihr dort gemeinsam auftauchen würdet.« Oscar fallen fast die Augen aus dem Kopf, so fassungslos ist er. »Hör mir zu, Oscar. Sie ist ein Teil von euch beiden, es muss schrecklich für sie sein, das Gefühl zu haben, ihr beide hasst euch. Es ist doch unglaublich verwirrend, sich für eine Seite entscheiden zu müssen.«
»Ich habe sie nicht darum gebeten.«
»Nein« – ich muss aufpassen, mich nicht von meiner eigenen Geschichte einholen zu lassen –, »aber sie hat bestimmt das Gefühl, es tun zu müssen. Sie kann ihre Mum nicht hassen, selbst wenn du das tust, und du wirst weiß Gott nicht wollen, dass sie dich hasst.«
Oscar sieht mich unnachgiebig an, und ich frage mich, ob die Uhr an seiner inneren Sprengkapsel tickt. Ich sollte wirklich aufhören, aber offenbar ist mir in letzter Zeit der Ausschalter abhandengekommen.
»Wir müssen zurück in die Küche.«
»Oscar …«
»Es kann ihr nicht schaden, sich mal für ein paar Stunden in der Zelle die Beine in den Bauch zu stehen. Ich habe ihr Unterstützung, aber auch Druck versprochen, und beides wird sie
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