Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
anmerken zu lassen. Ich habe Oscar versprochen, dass es keine Störungen gibt, und bin mir nicht sicher, ob das dazu zählt. Ich schaue in das rote Gesicht des Babys, dessen Mund ein schwarzes O der Not ist und das seine winzigen Hände protestierend von sich streckt. Dom kommt mit einem Tablett voller Getränke zurück.
»Wie heißt sie denn?«, fragt er und lächelt sie an. Woher weiß er, dass es ein Mädchen ist? Ich frage mich, ob das Baby spürt, dass es von ihm akzeptiert und willkommen geheißen wird, denn seine Schreie sind gleich viel weniger heftig.
»Allegra«, sagt Hannah und lächelt dankbar. »O mein Gott, ich würde töten für so einen Drink.«
»Soll ich mal die Tragetasche nehmen«, sagt Dom und tauscht sie gegen ein Glas Wein. »Wenn wir sie hier in der Ecke abstellen, wer weiß, vielleicht beglückt sie dich mit einem Nickerchen.«
Hannah lässt sich zurück aufs Sofa fallen, und sowie ihre Anspannung nachlässt, entspannt sich auch Allegra.
»Sie ist ein tolles Baby«, sagt Dom, und ich sehe seinen Augen an, dass dies keine Lüge ist, auch keine Notlüge. »Hallo, Allegra.«
»Möchtest du sie mal halten?«, fragt Hannah. »Ich korrigiere mich: Bitte sei um Gottes willen so nett, und halt sie mal.«
»Kein Problem«, sagt Dom und nimmt den winzigen Körper in seine Arme. »Wie alt ist sie?«
»Drei Monate.«
Ich muss mich abwenden, die Ironie entgeht mir nicht. Vielleicht hätte ich ihn lieber weiterhin hassen und die Buhmann-Version von ihm als dauerhaftes Bild in Erinnerung behalten sollen. Nein, das wäre mir zuwider gewesen, genauso zuwider wie das, was ich mir hätte einreden müssen – dass er ein Scheißkerl war, dass all die Jahre des Glücks nur ein Märchen waren –, und das, was es mit mir gemacht hätte. Schwarzweiß ist tröstlich, aber wie sich herausstellt, ist in dieser Saison Grau angesagt, jedenfalls für mich.
Als ich wieder in die Küche komme, wird dort mit voller Kraft gearbeitet. Oscar sieht mich scharf an, allerdings hält er sich zurück und brüllt mich nicht an. Uns bleiben noch fünfzehn Minuten, bis die Juroren eintreffen, und ich mache meine Runde um die Stationen und überprüfe, ob es nicht in letzter Minute noch irgendwelche Probleme mit den Gerichten gibt. An diesem Abend können wir uns kein weiteres Forellengate leisten. Und doch hoffe ich sogar, dass die Lammzungen knapp werden, die Oscar auf die Vorspeisenkarte gesetzt hat. Mir gefällt die kompromisslose Extremität dieses Gerichts, ich bin aber in Sorge, die Juroren könnten uns ihr Wohlwollen entziehen, sollte die Mehrheit der Gäste zu zimperlich sein, diese zu wählen.
»Du assistierst mir«, sagt Oscar angespannt. Er steht sonst nie am Herd, aber am heutigen Abend ist das anders. »Michelle kann sich um deine vegetarische Option kümmern.«
»Gefällt sie dir?«
Er zieht die Nase kraus. »Klingt nach Babyessen, aber das geht mir bei allem so.«
Ich wünsche mir seine Anerkennung und hätte ihm gern ein klitzekleines Lob entlockt. »Babys essen keine Chilis«, lautet meine armselige Retourkutsche, doch er ist zu sehr damit beschäftigt, Kaninchenkadaver aus dem Kühlschrank zu holen.
Als die Juroren eintreffen, entsprechen sie in keiner Weise meinen Erwartungen. Es sind ein römischer Gastronom, der seit fünf Jahren in England lebt, und eine unscheinbare Frau mittleren Alters, die man genauso gut für den Test von Haribo-Produkten hätte einsetzen können, denn sie zeigt überhaupt keine Leidenschaft für das Essen. Sie schleicht argwöhnisch durch die Küche und verweilt schweigend wie ein Gespenst an den diversen Stationen. Giorgio ist insgesamt angenehmer.
»Hübsch hier«, verkündet er strahlend. »Machen Sie eine Führung mit mir?«
»Natürlich«, sagt Oscar. »Wir haben oben auch einen Veranstaltungsraum. Vielleicht könntest du mal nachsehen, wie es läuft?«, fragt er mich mit finsterem Blick. O Gott, es wäre zu wünschen, dass alles gut läuft. Beurteilen wird man uns danach zwar nicht, aber wir werden es Giorgio kaum vorenthalten können, und ein Kaffeekränzchen mit zu wenig Personal würde kein gutes Licht auf uns werfen.
»Sehr gut«, sagt Giorgio. »O, und noch eine kleine Überraschung für Sie. Wir haben dafür gesorgt, dass das Restaurant voll ausgebucht ist, aber an einigen Ihrer Tische sitzen unsere Überraschungsgäste. Sie werden anschließend Punkte vergeben, damit wir sehen können, ob Sie Ihren Qualitätsanspruch auch halten können, wenn Sie voll
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