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Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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seiner Hand.
    »Aber das war doch das ganze Problem«, sagt Dad.
    »Was war das Problem?«
    »Meine Depression.«
    Mein Blick wandert zwischen den beiden hin und her. »Natürlich warst du depressiv, das wäre doch jeder, nachdem du dahintergekommen warst.« War ich depressiv gewesen? Nur für kurze Zeit, denke ich. Ich habe hart gearbeitet, um den schwarzen Hund abzuwehren, aus Angst, er könnte über mich herfallen und mich in Stücke reißen. Das hat mich womöglich mehr Kraft gekostet, als wenn ich ihm ein wenig Raum gelassen hätte.
    »Nein, Schatz, ich war schon vorher depressiv.«
    »Nein, das warst du nicht!«
    »Meine Liebe, bei allem Respekt, du warst zwölf. Deine Mum und ich hatten schon lang vor der Affäre Probleme. Ich war ein elender alter Fiesling, während ich gleichzeitig versuchte, Papa des Jahres zu sein. Und ich trank zu viel. Apropos …«, sagt er und schenkt sich großzügig von dem köstlichen Rioja nach, den er hinten im Schrank entdeckt hat. Ich sehe Mum an, ob sie es missbilligt, aber sie lächelt.
    »Ich hätte das, was ich getan habe, nicht tun sollen«, sagt sie, während Dad nach ihrer Hand greift, »aber es kam nicht von ungefähr.« Das hört sich entsetzlich vertraut an.
    »Die Krise war unausweichlich«, sagt Dad. »Ich hätte sonst bis in alle Ewigkeit weiter in Selbstmitleid gebadet. Und es war natürlich schwer, und es hat lang gedauert, bis ich wirklich darüber hinweg war, aber ich musste mir Zeit nehmen, darüber nachzudenken, warum ich so ein elender Fiesling gewesen war.«
    Mein Blick wandert von einem zum anderen, ich sehe, wie Mum einen Fussel von Dads Jacke zupft, ihre Fürsorge ist so eingespielt, dass sie fast unbewusst abläuft.
    »Wer war er?«, frage ich und versuche mich daran zu erinnern, wie er aussah. Die Szene hat sich in mein Hirn gebrannt, doch er ist ein Geist. Ich sehe nur Mum.
    Sie schaut Dad an, und er nickt kurz.
    »Er war Amerikaner, ausgerechnet, der uns für sechs Monate zugewiesen worden war. Es war wirklich lächerlich. Ich war …« Sie sieht mich an. »Es fällt mir nicht leicht, dir das alles zu sagen. Ich hatte wohl eine Art Midlifecrisis – was für ein Klischee! Ich stand kurz vor meinem vierzigsten Geburtstag, hatte drei Kinder, die mich bald nicht mehr brauchen würden, und eine Ehe, die sich ein wenig abgenutzt anfühlte. Er umwarb mich.«
    »Hast du daran gedacht, Dad zu verlassen?«, frage ich.
    »Ich habe überhaupt nicht gedacht. Ich hatte schreckliche Schuldgefühle, war aber unfähig, das alles zu analysieren. Ich habe nur agiert. In jeder Hinsicht agiert. Es war, als würde ich in eine andere Rolle schlüpfen. Urlaub nehmen.« Sie schaut Dad an. »Es war äußerst selbstsüchtig, und ich kann von Glück sagen, dass dein Vater der Mann ist, der er ist, und mir verziehen hat.«
    »Ich hätte nicht davon ausgehen sollen, alles zu wissen. Ich hätte nicht urteilen dürfen.«
    » Mea culpa «, sagt Mum. »Das war ganz allein unser Fehler. Du warst vollkommen aufgewühlt und musstest das irgendwo hinstecken, weil wir dir nicht die Wahrheit sagten. Und dann warst du erwachsen und verheiratet und lebtest in deiner eigenen kleinen Welt. Und jetzt …«
    Und da fange ich richtig zu weinen an, weine um das Ende meiner eigenen kleinen Welt. Die ich mir so sehr gewünscht hatte, einen perfekten kleinen Mikrokosmos, den ich kontrollieren konnte, und wo ich ein für alle Mal beweisen konnte, dass es die Ehe aus dem Bilderbuch gab. Ich war verdammt.
    »Liebling«, sagt einer von beiden, wer es war, hätte ich nicht sagen können. Beide kommen und legen ihre Arme um mich, umarmen mich wie ein Neugeborenes. In gewisser Weise fühle ich mich auch so, als hätte ich endlich verstanden, was ich verstehen musste. Meine Tränen finden kein Ende, bis mein Gesicht aussieht, als wäre es mit Jean-Pauls Flambierer flambiert worden, aber diesmal lasse ich es zu. Ich wehre mich nicht gegen den vertrauten inneren Kampf, stachele mich nicht wie sonst wütend an, mich zusammenzureißen. Mum und Dad sitzen neben mir, streichen mir übers Haar und reichen mir Taschentücher. Da sie genau wissen, was ich brauche – einfach nur gehalten werden –, geben sie mir das Gefühl, mich tatsächlich vor allem beschützen zu können.
    Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt habe, beenden wir das theatralische Getue, setzen uns vor den Fernseher und genehmigen uns eine ausgiebige Portion Sonntagabendunterhaltung. Ich sitze zwischen den beiden auf dem Sofa, tauche ein

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