Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Nägeln Nachrichten in ihren BlackBerry eintippte, während Guido sein Bestes gab. Ihre Kleidung war perfekt zusammengestellt, sah aber doch irgendwie falsch aus, als hätte sie die Sachen in der Vogue gesehen und dann jedes einzelne Teil direkt von der Stange gekauft. Dick war sie nicht, aber sie hatte diesen stämmigen Körperbau einer Hockeyspielerin, wie er in den Internaten sehr beliebt war. Ich hasste sie auf den ersten Blick.
Sie behauptete, mit einer Gruppe von Freunden da gewesen und dann noch geblieben zu sein, um Dom eine die Arbeit betreffende Frage zu stellen, für mich roch das allerdings nach völligem Blödsinn. Er hörte bald darauf zu arbeiten auf und betrat die Bar wie ein geprügelter Hund, ein Ausdruck, der meine schlimmsten Befürchtungen bestätigte. Ihre Zuversicht, mit der sie die Frage nach dem geplanten Personalwechsel an Weihnachten stellte, war atemberaubend, aber seine Reaktion darauf zeigte mir, dass mehr dahintersteckte. Das war nicht mehr der lockere, liebevolle Dom, der mich immer an sich drückte, als könnten wir uns nicht nah genug sein. Doch, er küsste mich, aber es war ein flüchtiger, trockener Kuss. Er war steif und linkisch und unfähig, mit einer von uns Blickkontakt aufzunehmen. Mir wurde das Herz schwer, als er sich plötzlich wie ein Fremder anfühlte, wie ein anderer Mensch mit einem Bündel von Geheimnissen, an denen ich nicht teilhatte. Natürlich kennt jede Beziehung Geheimfächer. Müsste man alles, was man tat oder dachte, offenlegen, käme dies einer Entpersönlichung gleich, aber hier ging es um einen kälteren und dunkleren Aspekt des persönlichen Freiraums.
Als wir aufbrachen, ging ich voran und zwang ihn, mir über den Piccadilly hinterherzulaufen. Er erklärte mir auf hundert verschiedene Weisen, dass ich mich lächerlich mache, wobei er zwischen Zerknirschung angesichts meines Unwohlseins und Wut darüber, dass ich ihn schlecht machte, hin und her schwankte. Egal, in welche Richtung es ging, er beharrte darauf, dass zwischen ihnen beiden nichts war. O Gott, wie gern hätte ich ihm geglaubt, doch das Timbre seiner Stimme verriet mir, dass er etwas zu verbergen hatte. In jener Nacht drehte ich ihm den Rücken zu und sagte ihm zum ersten Mal in neun Jahren nicht, dass ich ihn liebte. Wir hatten uns immer geschworen, nicht im Streit einzuschlafen, aber ich war zu verletzt. Und das blieb auch so. Ich hatte keinerlei Beweis, wollte auch keinen Beweis, und doch gelang es mir nicht, mich von diesem Verdacht zu befreien.
Ich veränderte mich, das ist unbestritten. Ich zog eine gute Show ab, allerdings verwandelte ich mich in eine prämenstruelle Miss Marple, die seine Kleider auf Parfümspuren beschnupperte und bei jeder sich bietenden Gelegenheit sein Telefon kontrollierte. Seine Schritte zu verfolgen war bei unseren Arbeitszeiten nicht einfach für mich, aber ich baute ein paar Überraschungsbesuche ein. Wir hatten mehr Sex, nicht weniger, doch es war alles falsch. Technisch perfekt, aber mit einem hässlichen Beigeschmack, als wäre er zu einem Leistungssport verkommen. Was für mich womöglich zutraf.
Ein kluger Rat: Schnüffele nur dann herum, wenn du auch stark genug bist, die Konsequenzen zu tragen …
Ich schaue in Marshas freundliches, offenes Gesicht und zwinge mich, mich mit dem zu befassen, was ansteht. Es heißt, man sei nie schöner als an seinem Hochzeitstag, aber irgendwie wusste ich, dass dies auf Marsha nicht zutreffen wird. Sie ist grobknochig und eine Frohnatur, hat einen kompakten Busen, der allerdings eher an ein Sideboard als an ein Dekolleté erinnert. Ihre Haut hat den natürlichen Schimmer, den es in keiner Flasche zu kaufen gibt, und dennoch macht sie das nicht jugendlich. Sie sah immer schon älter aus, als sie in Wirklichkeit war. Vermutlich ist sie erst jetzt, in den Dreißigern, in sich selbst hineingewachsen. Make-up macht die Sache auch nicht besser, da es gegen die Schlichtheit dessen wirkt, was und wer sie ist. Ein typischer Sahnebaiser-Traum in Weiß würde an ihr wie ein Zelt wirken, und bei einer Fönfrisur ihrer mausfarbenen Haare sähe man erst recht, wie fein sie sind. Ich kann sie unmöglich einer Horde blindwütiger Brautjungfern ausliefern. Und was noch wichtiger ist – sie möchte schließlich, dass ich ihr zur Seite stehe. Sie hat mich trotz der Tatsache, dass ich nur in meiner Unberechenbarkeit Konstanz bewiesen habe, nie im Stich gelassen, also kann ich sie auch nicht im Stich lassen.
»Ja. Ja, ich möchte deine
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