Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
dreißig quetschen müssen, einem »eingefleischten Junggesellen«, der sich allerdings mehr für den Hintern des Bräutigams als für ein banales Gespräch mit mir interessiert.
»Willst du als Erstes die Verlobungsparty planen?«, frage ich Marsha. »Du brauchst zumindest was zum Anstoßen. Übrigens, wie wär’s jetzt mit einem Glas Champagner? Es ist zwei Uhr nachmittags, in unseren Breiten durchaus Zeit für ein Schlückchen.«
»Für mich nicht«, sagt Lisa und grinst verschlagen, und einen Augenblick lang scheint die Welt stehen zu bleiben.
»Du bist doch nicht etwa …«
»Doch, bin ich!«, kreischt sie geradezu. »Erst im zweiten Monat, deshalb sollte ich eigentlich noch nichts sagen, aber ich kann das doch nicht vor euch beiden geheim halten.«
»Herz-li-chen Glück-wunsch«, sage ich, und meine bleierne Zunge bewegt sich dabei nur mit Mühe in meiner Mundhöhle. »Aber du und Jed seid doch noch gar nicht verheiratet?«
Lisa prustet vor Lachen. »Ja, aber wir sind auch nicht mehr im Zeitalter von Queen Victoria. Wir sind jetzt seit sechs Jahren zusammen!«
»Ja, natürlich. Ihr müsst ja auch nicht … das ist wunderbar.«
»Es ist fantastisch, nicht wahr?«, stimmt Marsha ein. Dabei sieht sie mich mit einem einfühlsamen Lächeln an, was ich mit einem Kopfnicken erwidere, um ihr zu sagen, dass ich okay bin. Obwohl es natürlich nicht stimmt. Warum habe ich nicht ein bisschen mehr vom Dalai Lama? Nicht so sehr die orangefarbenen Gewänder und die Brille, sondern die tief spirituelle Sichtweise. Sollte ich alle freudigen Ereignisse, deren Zeuge ich in absehbarer Zukunft werde, als persönliche Kränkung auffassen, bin ich verloren.
»Ein halbes Glas kann doch bestimmt nicht schaden?«, sage ich und setze ein strahlendes Lächeln auf. »Jetzt haben wir schon zwei Neuigkeiten zu feiern!«
»Du hast vermutlich recht, aber ich möchte kein Risiko eingehen«, erwidert sie und tätschelt dabei fast unbewusst ihren Bauch in perfekter Übereinstimmung mit dem Leben, das in ihm heranwächst.
Plötzlich scheint das Hintergrundgeräusch lauter zu werden, und ich höre Horden von Kindern, die kreischen und schreien, während sie ihr Essen hinunterschlingen und mit den im Überfluss vorhandenen Buntstiften ihre Speisekarten ausmalen. Ein ernst und höchstkonzentriert dreinblickender kleiner Junge auf einem Tretroller dreht seine Runden. Und ich mittendrin, gestrandet auf einer selbstgesuchten Insel. Und da mir der Bewusstseinszustand einer tibetanischen Gottheit noch nicht vergönnt ist, bin ich auf einmal überraschend dankbar für diesen undichten WC -Spülkasten. Wir stoßen mit frischem Pfefferminztee an, und ich verspreche, über die potenziellen Lokalitäten für Verlobungsdrinks nachzudenken.
»Hast du dir schon was für den Junggesellinnenabschied überlegt?«, frage ich Marsha, während ich in meinen Mantel schlüpfe.
»Ach, überrascht mich einfach!«, sagt sie, und ich versuche, keine Grimasse zu ziehen. Wie soll ich herausfinden, was im Marsha-Land Spaß bedeutet? Wahrscheinlich werde ich Pediküre und einen Nachmittagstee buchen, um dann herauszufinden, dass sie lieber bei subarktischen Temperaturen eine Höhlenerkundung gemacht und dann für zehn Leute auf einem Gaskocher Linsen gekocht hätte.
»Vielleicht sollte Lisa die Organisation übernehmen«, werfe ich hastig ein. »Das war wunderbar!«, ergänze ich und gebe beiden einen Kuss. »Noch mal Glückwunsch!« Heute scheint mir kein Satz ohne Ausrufungszeichen über die Lippen zu gehen. Ich trete hastig den Rückzug an und versuche die Mischung aus Freude und Traurigkeit, die in mir brodelt, nicht hochkommen zu lassen.
Ich freue mich für Marsha, freue mich wirklich. Sie war ein trauriger Single, als ich heiratete, und ich muss zugeben, dass ich keine großen Hoffnungen hegte. Sie ist reizend, entspricht aber nicht dem Typ Mädchen, um das sich die Männer scharen, und war das auch nie. Gibt es da etwas in mir, das sich darüber ärgert, dass die Rollen sich jetzt verkehrt haben, ohne dass ich es bemerkte? Es ging mir ziemlich leicht über die Lippen zu behaupten, der Richtige warte bestimmt schon auf sie, wohl wissend, dass ich den Meinen sicher im Sack hatte. Und nun stehe ich draußen in der Kälte und kann nicht leugnen, dass sich eine Spur von Eifersucht in meine Freude über ihr Glück mischt. Ein bisschen freue ich mich auch, dass Peters rundliches Gesicht dem einer Kartoffel gleicht: Würde er bei allem, was zählt, die höchste
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