Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
»Kaninchen auf zwei Arten, vielleicht auf drei. Wir verwenden auch noch das letzte Fitzelchen und sehen zu, dass wir aus dem Kaninchen das Maximum an Profit herausholen.« Die Kosten der Zutaten im Verhältnis zum Nettoertrag sind in jedem Restaurant ein Hauptpunkt. Wenn man die Betriebskosten mit einkalkuliert, kann eine einzelne Scheibe Brot teuer werden. »Dazu gibt es ein Risotto. Wir machen eine Wurst daraus, dann pürieren wir die Leber und sautieren die Nieren. Das mischen wir dann am Schluss drunter – köstlich.«
»Dessen bin ich mir sicher«, sage ich und versuche es mir vorzustellen. Das Schweigen der Kaninchen.
»Ich werde für morgen versuchen, eine Sauce mousseline zu machen, die muss über Nacht köcheln. Ich muss was auf die Speisekarte setzen, was leicht froschähnlich ist, für den Fall, dass diese verdammten Sachverständigen kommen.«
Er blickt nicht auf, sondern kritzelt seine Einfälle mit wütender Konzentration nieder. Ich verliere mich einen Augenblick darin, ihn zu betrachten, weil mir seine Begeisterung gefällt. Sein Wissen ist ihm angeboren, und die Zuversicht, die er ausstrahlt, bekommt man durch Reife und Erfahrung. Er sieht auf und erwischt mich beim Glotzen.
»Na los, bringen Sie sie nach hinten«, sagt er. Die dunkle Wolke scheint sich aufgelöst zu haben, denn er wirkt jetzt relativ fröhlich. Vielleicht hatte ich sie mir ja auch nur eingebildet, aber eigentlich weiß ich, dass dem nicht so ist.
»Ja, Chef«, antworte ich voller Freude über diese Herausforderung, egal wie flauschig und bezaubernd das Rohmaterial auch aussieht. Mich begeistern allerdings nicht nur die Kaninchen. Oscar beobachtet mich den ganzen Tag über scharf, lässt mich beim Risotto mithelfen und vergewissert sich, dass die vorbereite Mousseline in Ordnung ist. Meine Schwärmerei für ihn ist wieder voll entbrannt, und jede auch noch so kleine Berührung wird mit Bedeutung überfrachtet, obwohl Oscar keinerlei Anzeichen vergleichbarer Heimsuchung zeigt. Es ist ein Spaß, sage ich mir, nur ein harmloser Spaß. Nur aufgrund der Tatsache, dass er für mich unerreichbar ist, lasse ich mich auf dieses Spiel ein. Als würde man eine Verfolgungsjagd der Polizei mit Playmobilfiguren verfolgen.
Zu Mittag geht es drunter und drüber, ein weiterer Tag im wahren Leben. Die ganze Zeit über versuche ich zwei Scherzfragen zu lösen: a) wie ausgefallen muss die vegetarische Option beschaffen sein, um Oscar dazu zu bringen, das Genie in mir zu erkennen?; und b) wie hänge ich Joe ab, damit er mir diesen Rang nicht streitig macht? Er hat mich niedergestochen und mich übergossen, und wir haben erst die erste Woche: töten oder getötet werden.
Da mich diese Aufgabe voll und ganz in Anspruch nimmt, genehmige ich mir nur eine ganz kurze Pause, die es nicht verdient, Mittagspause genannt zu werden. Schließlich entscheide ich mich für einen hübschen orangefarbenen Kürbis (oder vier), gebraten und mit frischen Kräutern, Chili, Brotkrumen und Ziegenkäse vermengt. Mein erster Versuch erinnert eher an einen Industrieunfall in der Tango Factory, aber Versuch zwei sieht richtig gut aus, umso mehr in der Kombination mit einem frischen grünen Salat und kleinen Röstkartöffelchen. Die Zutaten bewegen sich im Pfennigbereich, vor allem wenn man den heftigen Preis in Betracht zieht, zu dem Oscar das Gericht anbietet.
»Nicht schlecht«, sagt er und löffelt sich was davon in sein stoppeliges Gesicht. »Nur ein Idiot würde es dem Kaninchen vorziehen, aber machen Sie’s.«
»Da sehen Sie, mit dem Gemüse sind wir auf dem richtigen Weg.«
»Wenn es Sie glücklich macht, Fischmädchen. Aber jetzt wieder ran an die Kaninchen, das hier kann auch ein Lakai übernehmen.«
Sobald ich einen Moment Zeit hatte, rief ich Tomasz an, und er steht bereits an seinem Platz und schält und schnippelt hingebungsvoll die Kürbisse, als kämen sie aus der Mode. »Sie kommen gut klar mit Oscar«, sagt er bewundernd, und ich kann nur hoffen, dass er damit nicht irgendwas Schlüpfriges andeuten will. Doch es kommt nichts hinterher, denn er ist viel zu versessen darauf, mir zu beweisen, dass mein Vertrauen in ihn gerechtfertigt ist. Er hackt, brät an, schrubbt seine Station, bis sie glänzt, und fängt dann wieder von vorn an.
»Steht er unter Drogen?«, erkundigt Michelle sich lachend, und ich genieße das kameradschaftliche Gefühl, das sich auf diese Weise einstellt. Ein wirklich netter Haufen. Vielleicht gelingt es mir ja, mich über Joes
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