Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
mit erhobener Stimme. »Mal ganz abgesehen davon, dass ich mich mitten im Abendservice befinde, würde ich meinen Atem nicht mal darauf verschwenden, dich auszublasen, wenn du in Flammen stündest, geschweige denn, ein Gespräch mit dir zu führen. Happy birthday.« Ich sehe, dass Johnny inzwischen auf uns zukommt, nachdem mein armes pickeliges Opfer ihn auf das von mir ausgelöste Chaos aufmerksam gemacht hat. »Ach übrigens, Ihr Kleid. An Lily Savage sah es weitaus besser aus«, zische ich Rachel zum Abschied zu. »Tut mir leid«, sage ich zu Johnny und dränge mich an ihm vorbei in die Küche, wo es relativ ruhig ist. Oscar entdeckt mich, sobald ich durch die Tür bin, und gibt mir mit einer Kopfbewegung zu verstehen, dass ich zu ihm kommen soll. Hat die Nachricht von meinem entsetzlichen Verhalten ihn bereits erreicht?
»Wo waren Sie?«, blafft er mich an.
Ich versuche mich zusammenzureißen, aber er kriegt meine Verfassung auch nicht annähernd mit. Außerdem bin ich vermutlich nicht irrer als alle anderen hier. Während wir miteinander sprechen, spült Jean-Paul einen Brandy hinunter und baut aus Meringen offenbar eine Replik des Eiffelturms, während Tomasz pflichteifrig eine vollständige Inventur der Auberginen vornimmt.
»Tut mir leid, jemand wollte was wegen des Kürbisgerichts wissen.« Dabei schaue ich ihn an und frage mich, ob ich mir das nur einbilde oder ob er tatsächlich besonders verrückt aussieht. Er hat was Manisches an sich, als könnte sein Körper das nicht fassen, was in ihm herumschwappt.
»Was haben Sie gemacht, den Leuten das Rezept vorgelesen? Es vor ihren Augen gekocht!? Ich brauche Sie hier, zur Unterstützung. Geht das nicht in Ihren Schädel?«
Er hat natürlich recht, so recht, dass ich am liebsten heulen möchte. Ich versuche mich zu entschuldigen, doch er lässt nicht locker.
»Ich habe Sie befördert ohne jeglichen Beweis, dass Sie dem Job gewachsen sind. Hatte überhaupt keinen Beweis. Aber wenn ich nach dem gehe, was ich bisher gesehen habe, habe ich einen gewaltigen Fehler gemacht.«
Und er findet kein Ende. Ich stehe da und lasse seinen ganzen Ärger über mich ergehen. Dabei ist mir verschwommen bewusst, dass das selbst für ihn ein ziemlicher Tobsuchtsanfall ist, allerdings berührt mich das im Moment nicht wirklich.
»Könnten Sie mir vielleicht die Ehre einer Antwort erweisen, Fischmädchen? Passiert dort oben in Ihrem Kopf was?«
Ich schaue ihn an und ringe um die korrekte Antwort, aber das scheint im Moment alles belanglos zu sein. Es ist, als wäre die Farbe eines Bildes ausgeblutet, als wäre mein Inneres ein unendliches Höhlensystem, eine Schneelandschaft ohne sichtbare Landmarken.
»Nein, nur dass es mir unendlich leidtut. Ich weiß, wie sehr Sie mich brauchen, und ich will Sie nicht schon wieder im Stich lassen.«
Meine gedrückte und ruhige Antwort scheint Oscar zu verunsichern. Normalerweise gehen die Leute vor den Chefköchen zitternd in die Knie, aber dazu kann ich mich nicht durchringen.
»Wie, was soll das?«
»Und außerdem, nennen Sie mich bitte nicht Fischmädchen, nicht heute Abend.« Beim Sprechen höre ich, wie meine Stimme bricht und nicht länger die Armseligkeit dessen, was passiert ist, ausblenden kann. Wie unangemessen. Er kann mir jeden Namen unter der Sonne geben, wenn er Lust dazu hat. Schließlich habe ich ihm meine Seele verkauft. Ich warte auf die nächste Runde Feindbeschuss, aber sie kommt nicht. Als wäre die Wut ausgetrieben worden, einfach so.
»Kommen Sie«, sagt er, »ich muss Ihnen was zeigen.«
Johnny kommt durch die Tür gerannt, offensichtlich ist er auf dem Kriegspfad, doch jetzt habe ich die perfekte Entschuldigung, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich folge Oscar rasch durch die Küche und rechne damit, dass er mich nach unten in sein Büro führt, aber stattdessen stößt er die Tür auf, die nach oben führt. Angst durchzuckt mich, doch ich verdränge sie. Er wird mich wohl kaum zu Boden ringen, meine Petticoats zur Seite reißen und mich wie ein Schurke der Regency-Ära vergewaltigen.
Als ich das Ende der Treppe erreicht habe, drängt sich eine dicke schwarzweiße Katze zwischen meine Beine und miaut herzzerreißend. Oscar nimmt sie auf den Arm.
»Beruhige dich«, sagt er, »nicht alle schmecken gut.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie eine Katze haben!«
Liebevoll streichelt er über ihren Kopf und geht mit ihr in die Küche und holt eine Dose Futter aus dem Kühlschrank. »Darf ich vorstellen – Moriarty.
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