Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
es muss der Heineken-Effekt gewesen sein – Oscars Küsse, die in Tiefen hinabreichen, die ein Leben ohne Liebe nicht erreicht –, aber ich habe offiziell das Schlimmste hinter mir. Ich konzentriere mich darauf, Köchin des Jahres zu werden, indem ich Oscars schroffe Anweisungen buchstabengetreu ausführe und dafür Sorge trage, dass es zu keiner Konfrontation mit der mürrischen Kochmafia kommt. Ich habe mich so lange nach dieser Art von Auszeit gesehnt, dass ich verdammt sein soll, wenn ich sie jetzt aufs Spiel setze. Langsam trudeln die Kritiken ein, als Erstes bewerten uns die kleineren, unbedeutenderen Anzeigenblätter. Die beiden, die in dieser Woche erschienen sind, waren wirklich beachtlich, reichten allerdings nicht an die schwindelerregenden Höhen heran, auf die Fawcett uns hochgelobt hatte. Die Reservierungen sind noch immer nicht einschätzbar – zu den üblichen Zeiten wie dem Samstagabend sind wir voll bis unters Dach, doch unter der Woche kommt es durchaus vor, dass der Gastraum so kahl wirkt wie ein Novembergarten.
Am Samstagmorgen komme ich sogar noch eher als erforderlich, obwohl ich so müde bin, dass ich in einer Suppenterrine schlafen könnte. Ich weiß, dass ich mir im Moment zu viel abverlange, aber ich werde von einer geradezu manischen Energie angetrieben. Joe ist der Erste, den ich sehe, und entschlossen, ihn mit Freundlichkeit kleinzukriegen, begrüße ich ihn mit einem fröhlichen Hallo.
»Guten Morgen, Fischmädchen«, sagt er mit einem hässlichen Grinsen im Gesicht.
Ohne ihn zu beachten, gehe ich durch zum Umkleideraum, wo ich feststellen muss, dass das Schloss von meinem Spind völlig verbogen ist. Ich hantiere eine Ewigkeit daran herum und hebele es schließlich mit einem Messer auf. Die Tür springt auf und spuckt einen Becher kalten Espresso aus, der sich über mein Kochgewand ergießen soll.
»Arschloch!«, schreie ich und fange das Glas gerade noch rechtzeitig auf, bevor es auf dem Boden zerbricht.
Ich hole tief Luft und versuche mir jegliches Fluchen und Aufstampfen zu verkneifen, das aus mir herauszubrechen droht. Wie lange soll das noch so weitergehen? Es nervt einfach, wenn man ein paar segensreiche Tage von jeglicher Quälerei verschont war und dann den nächsten Angriff erlebt. Ich wünschte, ich wüsste, wer dahintersteckt. Joe befindet sich offenbar auf einem Rachefeldzug, der vor nichts zurückschreckt, aber wie groß ist seine Armee? Als ich, mit Kaffee bespritzt, noch darüber nachdenke, kommt der Hilfskoch Stu durch die Tür. Ich beobachte sein Gesicht, um zu sehen, ob er sich freut, doch er scheint ehrlich entsetzt zu sein.
»Scheiße, Amber. Was ist passiert?«
Ich deute hilflos auf das Glas in meiner Hand und gebe mir Mühe, nicht aus der Haut zu fahren.
»Bleiben Sie hier, ich hole was zum Aufwischen«, sagt er und rennt zu den Spülbecken.
Ich wische mich mit einem Schwamm ab und bedanke mich überschwänglich bei ihm, während er den Boden aufwischt. Er holt mir sogar ein Ersatzoberteil von ihm aus seinem Spind. Es ist viel zu groß für mich, aber ich könnte vor Dankbarkeit losheulen.
»Sie können sich darauf verlassen«, versichere ich ihm, »dass Sie in den nächsten Tagen keine Zwiebeln schneiden werden.«
Oscar platzt durch die Schwingtüren, als ich mich gerade bemühe, die Weite etwas zu kaschieren. Dieser Look sähe nur dann sexy aus, wenn man nachts von Mama Cass träumt.
»Da sind Sie ja!«, sagt er gereizt. »Haben wohl verschlafen? Joe sagte mir schon, dass Sie sich noch hier rumtreiben.«
»Ich …« Es bringt nichts. Rache serviert man am besten kalt (was dieser Becher Espresso eindringlich bewiesen hat).
»Kommen Sie«, sagt er und dreht dabei seinen Kopf Richtung Erdgeschoss, und wir steuern sein Büro an. Er scheint besonders schlechte Laune zu haben, die nicht nur meinem angeblichen Zuspätkommen geschuldet sein kann. Die dunkle Wolke, die ihn umgibt, macht ihn völlig unnahbar. Liegt es daran, dass die ersten paar Rezensionen es an sabbernder Devotion fehlen ließen, oder bin ich die Ursache seiner Enttäuschung? Ich habe eine recht passable erste Woche hingelegt, ihn aber bei meinem ersten Abendservice im Stich gelassen und mich nicht wichtig gemacht, wie das die meisten Souschefs tun. Ich muss erst noch in diesen Job hineinwachsen und ihm beweisen, dass ich aus demselben Holz geschnitzt bin, und diesen Flachwichsern zeigen, dass ich eine ernst zu nehmende Größe bin.
»Ich bin nicht zu spät gekommen, wirklich nicht«,
Weitere Kostenlose Bücher