Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
dir, nicht davor. Bitte, bitte lass uns treffen und reden. Ich habe gehört, was du gesagt hast, ich weiß, dass es aus ist, aber so dürfen wir einander nicht in Erinnerung behalten. Wir haben das schon mal besser gekonnt. Xx
Ich starre das Display an, und die Worte tanzen vor meinen Augen. Die kleine Intimität »Toilettengate« – dieses alberne Suffix, das wir unseren Streitigkeiten gegeben haben, um ihnen das Feuer zu nehmen. Es macht mich wütend, dass er es benutzt, macht mich wütend für das, was es heraufbeschwört, und versetzt mir genauso einen Schlag in die Magengrube wie der Atemzug von ihm, den ich in dem winzigen Badezimmer inhaliert habe. Ich vermag dieser Information keinen Sinn zu geben, sehe mich allerdings außerstande, sie zu sezieren, und Ralph, der mir über die Schulter linst, ist wahrlich nicht sehr hilfreich.
»Gib her«, sagt er, aber ehe wir darüber in eine Rauferei geraten, klingelt es. Oscar.
»Hallo?«, sage ich mit zitternder Stimme. »Bist du draußen?«
»Draußen?«, wirft Ralph begeistert ein.
»Ich denke schon«, sagt Oscar. »Möchtest du, dass ich reinkomme?«
»Nein!«, rufe ich, erstaunt, dass er es vorschlägt.
»Hol ihn schon rein auf ein Glas Vino«, schreit mein lauschender, sich einmischender Bruder.
»Warte dort, ich komme raus«, sage ich und schiebe Ralphs Kopf weg von meinem Telefon. Ich habe meinen Mantel an, und meine Tasche ist ebenfalls zur Hand. Vielleicht könnte ich mich einfach davonschleichen? Das wäre unhöflich – ich entscheide mich für ein allgemeines Tschüss und drücke dann Milly an mich.
»Alles okay mit dir?«, flüstert sie.
»Nicht ganz, ich erzähl’s dir morgen.«
Ich peile die Tür an, habe dabei aber Ralph im Schlepptau. »Hau ab, Ralph!«
»Nun komm schon, Amber. Lass den Hund doch das Kaninchen sehen.«
»Wärst du ein Hund, dann hätte ich dich schon vor Jahren eingeschläfert. Hau ab!«
»Er wollte reinkommen. Warum bist du so ein Spielverderber? Ist er rothaarig? Sag bloß nicht, du vögelst einen Rothaarigen, wir brauchen keine Gene von Rothaarigen.«
»Er ist nicht rothaarig!« Ich versuche die Tür vor seiner Nase zuzumachen, doch er zwängt einen Fuß dazwischen. »Wir sind noch ganz am Anfang, da brauche ich kein Publikum.«
Aber Ralph lässt nicht locker, folgt mir den Weg hinunter und rennt mir nach, als ich ihm zu entkommen versuche. Ich springe in Oscars alten Mercedes und schlage hinter mir die Tür zu.
»Wo brennt’s?«, fragt er und beugt sich über mich, um mich zu küssen, aber ich schüttele ihn ab.
»Fahr einfach!«
»Nein!«, blafft er. »Ich bin verdammt noch mal nicht dein Chauffeur.«
Jetzt hat Ralph den Wagen erreicht, und ich drücke die Verriegelung herunter, damit er nicht rein kann.
»Ich weiß, dass du nicht mein Chauffeur bist, aber würdest du bitte losfahren?«, flehe ich ihn an und hoffe dabei, dass die Dunkelheit es Ralph unmöglich macht, etwas zu erkennen.
»Nein, du bist lächerlich. Ich vermute, dieser Wahnsinnige ist dein Bruder.«
»Ja«, sage ich kleinlaut.
Oscar kurbelt sein Fenster herunter. Der Wagen ist so alt, dass man dazu wirklich eine Kurbel betätigen muss, was sowohl mir als auch Ralph genügend Zeit gibt, uns darüber klar zu werden, wie armselig wir uns aufführen.
»Hallo, Ambers Bruder, ich bin Oscar. Schön, Sie kennenzulernen.«
Ralph ist ausnahmsweise mal sprachlos, denn da ist jemand noch selbstsicherer als er. Oder vielleicht überwältigt ihn auch der Beweis, dass ich mit meinem Boss schlafe. Wie auch immer, er bringt sogar noch weniger heraus als Frank.
»Also gut«, erwidert er endlich. »Möchten Sie … möchten Sie auf einen Drink reinkommen?«
»Nein«, fauche ich.
»Das wäre nett«, sagt Oscar zur gleichen Zeit.
»Es wäre nicht nett!«, widerspreche ich fast heulend. »Vertrau mir.« Wie habe ich mich nur in diese Situation gebracht?
»Nun komm«, sagt Oscar. »Ein Drink kann nicht schaden.« Er parkt geschickt den Wagen, kommt auf meine Seite und öffnet meine Tür. »Ein bisschen fröhlicher, Prinzessin«, sagt er und betrachtet amüsiert meine mürrische Miene. Vermutlich sollte ich nicht mürrisch sein, sondern mich freuen, dass er mich nicht wie einen One-Night-Stand behandelt, aber ich habe Angst davor, ihn mit hineinzunehmen. Laura hat fünf Jahre gebraucht, bis sie fand, dass eine Beziehung ernsthaft genug war, um sie dieser Art von Musterung auszusetzen: Wie sollen ihn gerade mal vierundzwanzig Stunden dafür
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