Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
geschlachtet, und ich bin sehr geschickt im Umgang mit Schweinekadavern.« Mein Gott, ich rede daher wie eine Lesbe aus den Fünfzigern mit Knickerbockern, die über ihren Landsitz pirscht und Sachen abknallt und dann mit ihren bloßen Händen ausweidet.
»Würdest du das tatsächlich tun?«, erwidert Anthony grinsend. »Ich werd’s mir merken.«
Beth weiß meine Zerlegkünste weitaus mehr zu schätzen, denn sie zieht ein großes, trocken aussehendes Huhn aus dem Ofen. »Soll ich es zerlegen?«, frage ich, und sie reicht mir ein Messer und schüttet einen Berg durchweicht aussehender Bratkartoffeln in eine Schüssel.
Das Messer ist ziemlich stumpf, aber ich genieße die kulinarische Herausforderung und schneide ganz schnell um die Flügel herum, wobei ich die vielen verbrannten Stellen gleich mit abtrage. Beherzt bemühen sich alle, ihr Stück kauend zu bewältigen, doch das Geburtstagskind wird langsam ungeduldig.
»Kurze, Kurze, Kurze!«, schmettert er und wird dabei bald schon von einem eifrigen Bryan unterstützt. Vielleicht hofft er darauf, Ralph in diesem Jahr so betrunken machen zu können, dass er ihn bekehren kann. Denn ich schwöre, dass er seit der Orientierungswoche an der Uni in ihn verliebt ist.
Während der Wodka ausgeschenkt wird, schicke ich unter dem Tisch eine weitere SMS an Oscar. Dabei entdecke ich, dass ich, je weiter der Abend fortschreitet, immer kesser werde und Oscar in seiner Dreistigkeit fast (aber nur fast) das Wasser reiche. Komm hierher zurück ,textet er. Kann nicht , texte ich. Ich bin dein Boss, und das ist ein Befehl , lautet die Antwort. Und so geht das hin und her, bis Ralph mich entdeckt.
»Ich werde dieses Ding jetzt gleich die Toilette hinunterspülen, wenn du es nicht wegsteckst. Wenn ich jemandem keine Bluttransfusion gebe, geht es um Leben oder Tod. Wenn in der Küche die Tomaten ausgehen, ist das keine große Sache.«
»Lass sie in Ruhe«, sagt Beth. »Du weißt doch gar nicht, wem sie schreibt.«
»Ertappt!«, sage ich. »Es ist die Arbeit. Ich werde aufhören.«
Zum Glück lässt Ralph sich von seinem Kuchen ablenken, der nun hereingetragen wird. »Wünsch dir was, Schatz!«, fordert Beth ihn auf.
Ralph schließt die Augen, als würde er noch immer an den Weihnachtsmann glauben. »Ich wünsche mir SingStar!«, schreit er und rennt dann los, um es aufzubauen. Ralph findet mit Sicherheit eine Form des Karaoke, die einen Wettkampf zulässt.
Er legt los, indem er Livin’ On a Prayer schmettert, und streitet sich heftig mit dem elektronischen Simon Cowell, der (zurecht) befindet, dass er völlig falsch singt, und es nicht erträgt, wie er herumzappelt und vom Sofa aus Crowdsurfing versucht. Dreimal darf man raten, wer als Nächster dran ist: Bryan, der Britney singt. Nachdem ich ihn zwei Refrains von Hit Me Baby One More Time fast exklusiv für Ralph habe singen sehen, beschließe ich, eine Toiletten- (und Wodka-)Pause einzulegen. Auf meinen Weg in den Garten nehme ich auch meine Handtasche mit. Drei weitere Nachrichten von Oscar. Nicht trinken und wählen, nicht trinken und wählen, summe ich vor mich hin und rufe ihn dann an.
»Die Wanderin kehrt zurück«, meldet er sich mit schleppender Stimme.
»Schön wär’s. Ich bin immer noch in der Pampa.«
»Wie ist es?«
»Ein Gemetzel«, sage ich und halte das Telefon eine Sekunde lang durch die Tür, damit er Ralph hören kann, der gerade New York, New York meuchelt.
»Dann tu, wie dir befohlen, und komm zurück.«
»Ach, Oscar, das geht nicht. Ich bin in Sorge, dass meine Mitbewohnerin mit dem Kumpel meines Bruders abhaut und …«
»Die Torheiten der Jugend.«
»Ich kann sie nicht allein lassen! Er ist schrecklich und …«
»Du bist nicht ihre Mama. Sie werden sicherlich froh sein, wenn du aus dem Weg bist. Nimm dir einfach ein Taxi.«
Ich atme tief durch. »Ich weiß, das klingt lahm, aber ich kann mir kein Taxi leisten.«
»Ich werde es bezahlen, wenn du hier bist.«
»Nein«, sage ich mit Nachdruck. Ich will das nicht, ich will mich nicht fühlen müssen wie eine ausgehaltene Frau. Das geht für meinen Geschmack viel zu sehr in Richtung Pelzmantel und nichts drunter.
»Dann lässt du mir keine andere Wahl. Ich komme dich abholen.«
»Nein, tu das nicht. Das verbiete ich dir!«
»Du verbietest es mir? Schade für dich, Verbote turnen mich erst richtig an.«
Widerstand ist sinnlos. Und schon habe ich ihm die Adresse gegeben und kann nur hoffen, dass Ralph mich nicht umbringt, weil ich abhaue. Auf
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