Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
mein Telefon in meine Tasche. Ist er der Chef oder … nicht der Freund, definitiv nicht der Freund. Liebhaber? Was für eine grauenhafte Bezeichnung ist das denn, gemessen an den zaghaften Küssen, mit denen er meinen Hals bedeckt, ist es die passendste, die ich finden kann.
»Was machst du denn hier?«, frage ich und löse mich widerstrebend aus seiner Umarmung. »Es könnte uns jemand sehen.«
»Lass sie doch. Ich habe dir für heute Abend dienstfrei gegeben, wir haben eine Verabredung.«
Ich schaue in sein grinsendes Gesicht, das ganz offen kindliche Freude widerspiegelt, und spüre, dass die Ampel in meinem Herzen zwar nicht von Rot auf Grün, aber immerhin auf Gelb umspringt. Ich habe alles drangesetzt, nichts zu investieren und ja nicht zu vergessen, dass Chefkoch gleichbedeutend ist mit leistungsbesessenem Workaholic, doch es fällt mir schwer, mich dem Sog zu entziehen. Ich habe diesen mit Wachsamkeit zu bannen versucht und ständig das Gute gegen das Schlechte aufgewogen, aber ich vermute, dass man bei Oscar – anders als bei Dom – das bekommt, was man auch sieht. Mag es auch noch so sehr gewittern, wenn die Sonne herauskommt, sieht man nur noch strahlend blauen Himmel.
»Was für eine Verabredung?«, frage ich und dränge mich dicht an ihn, um sein schönes Gesicht zu küssen. Sobald ich seine Wärme spüre, schwebe ich auf Wolke sieben.
»Ein Dreier mit Mimi.« Ich ziehe mich zurück. » La Bohème , du Dummerchen! In der Oper.« Er dämpft seine Stimme. »Plätze in der ersten Reihe.«
Ich werfe einen verstohlenen Blick auf die Tür, die hinter uns aufschwingt, und kalte Angst packt mich. »Tut mir leid, ich weiß, dass die Vorspeisen zu langsam rausgingen«, plappere ich. »Hand aufs Herz, ich verspreche Ihnen, dass wir uns heute Abend steigern werden.«
Oscar wirbelt herum und entdeckt Joe. Grinsend dreht er sich mir zu. »Das ist doch hoffnungslos! Ich erwarte bei Weitem mehr als diese armselige Vorstellung. Sie sollten sich langsam wirklich überlegen, wie Sie das bei mir wiedergutmachen können.« Dabei zwinkert er mir zu und stolziert selbstzufrieden davon.
»Gar nicht so einfach, wie es aussieht, nicht wahr?«, sagt Joe. »Ich gebe Ihnen eine Woche«, fügt er hinzu, und sein schmallippiger, gemeiner Mund zuckt, als würde er an einer Rosine saugen.
»Zum Glück zählt das, was Sie denken, hier überhaupt nicht«, blaffe ich. »Warum gehen Sie nicht und schnippeln Sellerie oder so? Das ist Ihr Niveau.«
»Fick dich, du arrogantes kleines Miststück«, schäumt er giftig. »Kommt hier rein und macht sich wichtig. Wir werden schon sehen, wer hier den längeren Atem hat. In einer Woche werden Sie am Arsch der Welt Teller spülen.«
»Das werde ich mit keinem Kommentar würdigen. Ich möchte niemanden, der wie Sie mit seiner Wut nicht umgehen kann, in meiner Küche haben. Fühlen Sie sich gewarnt.«
Darauf folgt ein schreckliches, unfrohes Lachen. Ich verstehe auch warum: Würde man jeden aus der Gastronomie verbannen, der Probleme im Umgang mit seiner Wut hat, könnte die ganze Welt bald hungern.
»Sie haben wohl den Einsatzplan noch nicht gesehen, Fischmädchen? Oscar hat mich persönlich für die Spätschicht heute Abend angerufen. Er ist nicht da und vertraut Ihnen nicht, dass Sie es hinkriegen. Ihre Küche?! An Ihrer Stelle würde ich jetzt kündigen, dann ersparen Sie sich die Demütigung.«
Ich widerstehe der Versuchung, ihm die Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Genauso verlockend ist es, diesen Hebel anzusetzen, um ihn zu entlassen, aber ich vermag mich nicht dazu durchzuringen. Ich möchte nicht die Lady Macbeth rauskehren, zumal die erste Lady Macbeth noch sehr präsent ist in diesem Haus. Außerdem gehört zu den Nebeneffekten von Joes Gehässigkeit, dass von seiner Station die Teller so flott rausgehen, als würden sie brennen. Es ist nicht leicht, Köche zu finden, die immer halten, was sie versprechen, und ich möchte nicht, dass Oscar denkt, ich würde gute Mitarbeiter vertreiben, nur weil ich mit Autorität nicht umgehen kann.
»Wir sind übereingekommen, dass ich heute Abend ebenfalls freinehme, ein Notfall in der Familie.« Ich bin eine so schlechte Lügnerin, und es wundert mich nicht, dass es ihn nicht zu überzeugen scheint. »Aber im Moment stehen wir im Rampenlicht und können uns nicht erlauben, mit internen Querelen unsere Energien zu vergeuden.« Ich halte seinem Blick stand und versuche an sein besseres Wesen zu appellieren, allerdings gibt sich das nicht zu
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