Sektfrühstück um Mitternacht: Roman (German Edition)
Restaurant unter.«
»Und was wäre, wenn man den Raum für Veranstaltungen nutzt? Er ist nun schon mal da, und es herrscht ziemlicher Mangel an anspruchsvollen Räumen, die man mieten kann«, sage ich, und dabei taucht Marshas Gesicht vor meinen Augen auf. Sie sieht mich enttäuscht an.
»Einen Veranstaltungsraum? Wir haben hier aber keine Kaschemme in irgendeinem Außenbezirk«, erwidert er pikiert.
Aber im Lauf der nächsten paar Tage gelingt es mir, ihn davon zu überzeugen, dass es einen Versuch wert wäre. Er gibt auch bei Richard klein bei, berichtet aber mürrisch, dass einer der Hauptgeldgeber noch immer mit dem Gedanken spielt, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, weil er befürchtet, dass der Zauber mit Innereien nicht genügend konjunktursicher ist.
Ich ertappe mich dabei, dass ich Lydia auf Schritt und Tritt verfolge und jede sich bietende Gelegenheit nutze, mir ein Bild von ihren Gefühlen für Oscar zu machen. Er besteht darauf, dass wir unsere Beziehung öffentlich machen, und ich weiß nicht, wie lang ich ihn noch hinhalten kann, ohne seinen Zorn zu riskieren. Seit jener Nacht in der Oper sind meine Gefühle kurz vor dem Überkochen, doch ich habe immer noch panische Angst vor dem Sprung ins kalte Wasser. Gewiss, es kehrt langsam so etwas wie Normalität ein – er kommt heute Abend sogar zum Abendessen zu mir in die Wohnung –, aber es fällt mir noch immer schwer zu glauben, dass wir auf lange Sicht eine Chance haben. Dahinter steckt sicherlich teils reine Feigheit, die Angst, mein Herz wieder zurück auf den Seziertisch zu legen, doch auch die Angst, ob wir tatsächlich eine reelle Zukunftschance haben. Er hat bereits seine Familie gehabt und seine Jugend für Windeln und Nachtschichten hingegeben, also wird er jetzt sicherlich auf eine zweite Jugend spekulieren. Und nachdem er hat zusehen müssen, wie seine Familie vor seinen eigenen Augen in die Brüche ging, wird er wohl kaum erpicht darauf sein, sich noch mal entsprechend zu verpflichten, oder? Sosehr er das auch herunterspielt, wird es ihn doch schmerzen, von Tallulah getrennt zu leben, und das peinliche feudale Abendessen, das er am Wochenende zum Ende ihrer Vorprüfungen ausrichtet, ist dafür Beweis genug. Ich weiß, ich sollte im Moment leben, aber springen ist schwer, wenn du nicht weißt, was deinen Sturz abfangen wird.
Heute hatte ich einen Tag frei, eine willkommene Ruhepause von der Spielplatzpolitik der Küche. Joe lässt nicht locker. In dieser Woche landete mein Telefon auf mysteriöse Weise im Geschirrspüler und mein Motorradhelm tauchte im Weinkeller auf (da ich übernachtet hatte, war es nicht einfach zu erklären, warum ich es nicht bemerkt hatte). Ich werfe einen ängstlichen Blick auf den Topf, der auf dem Herd blubbert. Noch nie hatte ich solche Versagensängste wie heute Abend. Nicht einmal meine Kochprüfung hat mich so viel Angstschweiß gekostet. Meine Wahl fiel auf etwas Einfaches, Spaghetti puttanesca, auch als Hurensauce bekannt, weil sie so einfach geht, dass selbst eine Prostituierte in Neapel sie zwischen zwei Freiern auf die Beine stellen konnte (ich glaube nicht, dass ich das mit Oscar ausprobieren werde). Da ich vor ihm aber auch nicht als kulinarischer Einfaltspinsel dastehen möchte, habe ich beschlossen, zum Nachtisch einen Erdnussbutter-Käsekuchen zu servieren, für den Milly beharrlich eine Tonne Roggenmehlkekse gerieben hat.
In einem Anfall reinsten Wahnsinns habe ich dann auch noch Marsha vorgeschlagen, vorbeizukommen, um über die Party zu sprechen. Sie soll in drei Wochen stattfinden, aber ich bekomme erst wieder in einer Woche einen freien Tag, doch meine klügste Idee war es nicht gerade. Sie hat einen Strickkurs begonnen (Marsha ist ganz groß darin, sich weiterzubilden), und ich habe ihr das Zeitfenster zwischen sechs und acht Uhr vorbehalten, sodass mir danach noch eine Stunde bleibt, bis Oscar kommen wird (er ist sich sicher, durch irgendeinen kulinarischen Notfall wie eine weltweite Kaldaunendürre aufgehalten zu werden). So groß meine Erleichterung auch ist, dem Liebesfriedhof entkommen zu sein, so bin ich doch nicht im Entferntesten dazu bereit, den neuen Mann an meiner Seite allen vorzustellen. Schon die bloße Vorstellung bringt mich völlig aus dem Gleichgewicht.
Wie vorherzusehen klingelt es pünktlich um halb sieben. Marshas von der Kälte gerötetes Gesicht krönt ein eigenartiger Strickhut in Lila, der aussieht wie das erste Raumschiff einer Invasion von
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