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Sekunde der Wahrheit

Titel: Sekunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hayes Joseph
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Blue sehr hohe Quoten zahlt. Aber wie schon gesagt: Bis zum Finish kann in einem Rennen viel passieren.
    Nun habe ich noch eine traurige Nachricht: Während der Nacht erlitt der beliebte Vincent Van eine ernsthafte Verletzung im Thistle-Hill-Gestüt und mußte für das Derby gestrichen werden. Ein großartiges Pferd, Sieger in vielen renommierten Rennen und Millionen wert, schaffte er 1.800 Meter in 1:47. Obgleich er nicht eingeschläfert werden mußte, sind nun Vincent Vans Renntage vorbei. Harold Johnston wird ihn als Deckhengst behalten, was man ja nicht gerade als trauriges Schicksal bezeichnen kann. Aber Vincent Van ist vom Temperament her ein Renner und kein Springer. Die Stimmung in Thistle Hill ist natürlich gedrückt, aber wie sagt ein altes Sprichwort: Die meisten Unfälle passieren zu Hause.
    Was bedeutet das für das Derby? Nun, Starbright wird nun der unbestrittene Favorit sein, zusammen mit Ancient Mariner. Aber man fragt sich natürlich, ob das diesjährige Derby unter einem schlechten Stern steht. Zuerst der überraschende Tod von Stuart Rosser, obgleich sein Pferd Fireaway auf Wunsch der mutigen und sportlich gesonnenen Witwe an den Start gehen wird, trotz ihrer Trauer. Und nun fällt Vincent Van aus. Die Götter sind uns nicht wohlgesonnen, scheint es.
    Mögen sie ihre Launen ändern, wenn um fünf Uhr heute nachmittag das achte Rennen des Tages gelaufen wird, das mit vierzigtausend Dollar dotierte Trail, begleitet vom frenetischen Gebrüll von schätzungsweise neunzigtausend begeisterten Zuschauern, die sich die Kehle heiser schreien werden. Um keine Illusionen aufkommen zu lassen: Nur fünf Sieger im Trail haben anschließend auch das Derby gewonnen. Es ist also wieder einmal alles offen, und so verabschiede ich mich bis morgen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.«
    Walter Drake merkte selbst, daß er zu viel redete, wie immer, wenn er aufgeregt war. »Er hat halbweiße Füße, das ist etwas mehr als weiße Fesseln.«
    Was ihm so zusetzte, war die Art, wie Susan neben ihm saß und zum Fenster hinausstarrte.
    Der Taxifahrer, der aus Louisville stammte und sicher mehr von Pferden verstand, als er jemals wissen würde, selbst wenn er einen ganzen Rennstall besaß, sagte: »Ich hab' ja schon einige verrückte Pferdenamen gehört, aber Sie schießen wirklich den Vogel ab, Mr. Drake.«
    Walter rutschte auf dem Sitz. »Ich bin schließlich Apotheker und habe den ganzen Tag mit Rezepten zu tun. Prescription ist eben mein Rezept.« Susan starrte zwar durch die Scheibe hinaus, aber sie nahm nichts wahr, nicht die hübschen weißen Häuser mit ihren Erkern und Veranden, die schattigen Straßen und die gepflegten Vorgärten. Louisville war eine schöne Stadt, besonders in den Wohngegenden. Auf seinen Vorschlag hin hatte Susan das Haar gefärbt, aber es war nicht wieder der warme Braunton von früher. Ihr Gesicht war immer schon rundlich gewesen aber jetzt wirkte es aufgedunsen. Wie ihr Körper. Wie sein Körper auch. Doch so herunterhängende Hamsterbacken wie er hatte sie nicht.
    »Sie werden es nicht glauben, aber in all den Jahren hab' ich noch nie den Besitzer eines Derbyteilnehmers gefahren«, sagte der Fahrer. »Es ist mir eine Ehre.«
    Walter hoffte, daß Susan das aufheitern würde, aber sie verzog keine Miene. Er hatte mit ihr sogar über ein Facelifting gesprochen obgleich sie wirklich kein Geld übrig hatten. Ihm war nicht klar gewesen, was ein Vollblüter so alles kostete, Futter und Stall und Tierarzt – ganz zu schweigen von den Gehältern. Mindestens achthundert Dollar pro Woche, manchmal sogar tausend. Mehr für ihre Ohren, als um vor dem Fahrer anzugeben zählte er auf, wo Prescription schon überall gewonnen hatte. Der Fahrer pfiff anerkennend, aber sie reagierte nicht.
    Das Leere-Nest-Syndrom hatte der junge Dr. Harmon es genannt. Darunter leiden viele Frauen – und manchmal auch Männer – mittleren Alters, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Er hatte Librium verschrieben, dann Valium, aber das schien ihre Depression nur zu vertiefen. Er bekam es manchmal richtig mit der Angst zu tun.
    »Jedenfalls hat Prescription den Kaufpreis bereits neunmal verdient.«
    Susann hatte sich sehr bemüht, mit Yoga und autogenem Training und Astrologie. Er hatte ihr sogar angeboten, wieder in die Kirche zu gehen, aber da hatte sie abgewinkt. Die Zeiten waren schon lang vorbei. Kamen ihr wie eine Ewigkeit vor. Er verstand, was sie meinte. Sie waren immer zusammen in die Kirche gegangen,

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