Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
verkauft. Allerdings«, er hob den rechten Zeigefinger, »als Rebecca Ganter ermordet wurde, war das Buch noch gar nicht auf dem Markt, sondern erst drei Tage später.«
Alle in der Runde brauchten einen Moment, um ihre Gedanken zu ordnen. Sofort wurden Spekulationen über unterschiedliche Motive aufgebracht und wieder verworfen. Falko beauftragte Rolf Kramer damit, sich vom Verlag einen detaillierten Ablaufplan zu besorgen, in welchen Schritten das Buch entstanden war und wer schon vor der Premiere über den Inhalt Bescheid wusste. Außerdem machte Cornelsen es jedem Einzelnen zur Aufgabe, die vorherigen Bücher des Opfers zu lesen.
»Glaubt ihr, da arbeitet einer nach Drehbuch?«, fragte Timo in die Runde.
»Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass die Todesart ein Zufall ist. Dafür ist sie zu ausgefallen«, antwortete Sarah.
»Die Frage ist ja auch, ob das der erste Fall ist …« Falko Cornelsen brach ab. »Verdammt noch mal, genau das war es.« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und sah Sarah an. »Was du gestern erzählt hast, von den ermordeten Krankenschwestern.«
»Ja?«
»Ein Kollege aus Düsseldorf bat mich vor einiger Zeit um meine Meinung zu dieser ungewöhnlichen Todesursache.«
Oberstaatsanwalt Wedekamp, der dem bisherigen Gespräch nur interessiert gefolgt war, meldete sich erstmals zu Wort: »Was war das für ein Fall?«
Cornelsen versuchte, sich zu erinnern. »Ich bekomme das nur bruchstückhaft zusammen. Wir konnten uns seinerzeit nicht einbringen, weil wir mit der Mordserie im Rotlichtmilieu alle Hände voll zu tun hatten. Ein Kollege wollte meine Meinung als Fallanalyst wissen. Ich musste aus Zeitgründen ablehnen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass in Düsseldorf eine Krankenschwester aufgefunden wurde, die durch Zwangsernährung zu Tode gekommen war.«
»Wie in dem Roman«, sagte Sarah.
»Genau. Und ich glaube nicht, dass es ein Zufall ist, dass Rebecca Ganter so umgebracht wurde, wie sie es in ihrem Buch beschrieben hat.«
»Dann hätten wir es mit einem Serientäter zu tun.« Oberstaatsanwalt Wedekamp war die Anspannung anzumerken. Ein Serientäter bedeutete auch immer einen großen öffentlichen Druck.
Falko Cornelsen ging nicht darauf ein. »Die Fahndungen sind raus. Unsere wichtigste Spur ist derzeit das Fahrzeug. Wir müssen hoffen, dass es so schnell wie möglich gefunden wird. Ein Einsatzteam soll den Wald durchkämmen. Vielleicht hat der Täter es dort abgestellt.« Er nahm sich den Bericht der Spurensicherung vor. »Es gab einige Anhaftungen am BH der Toten, außerdem Sporenrückstände auf dem Teppich. Fingerabdrücke bisher nur vom Opfer.«
»Dann konzentrieren wir uns erst mal auf das Fahrzeug?«, fragte Sarah.
»Auf das Fahrzeug, die üblichen Hehler und die Pfandhäuser. Die Armbanduhr des Opfers und ihr Laptop sind ebenfalls wichtige Anhaltspunkte. Womöglich fehlt noch mehr, den Fernseher eingeschlossen. Wenn der oder die Täter so unvorsichtig gewesen sein sollten, die Gegenstände bei nur einem Händler anzubieten, könnten wir schnell auf etwas stoßen.« Cornelsen schloss den vor ihm liegenden Aktendeckel und stand auf. »Ich werde mir in den nächsten Stunden die Bücher des Opfers vornehmen. Sarah, kannst du sie bitte auch noch mal lesen, damit wir nach Parallelen zu realen Verbrechen suchen können und uns darüber austauschen, was uns auffällt?«
»Ja«, antwortete Sarah knapp. Falko erhob sich. »Ach ja, eines noch. Rolf, du sagtest, dass das Buch schon tausendfach verkauft wurde. Kann man das irgendwie stoppen? Fragst du mal bei diesem Verlag nach?«
»Heute am Sonntag wird da keiner sein. Nachfragen kann ich also frühestens morgen, aber ob ich etwas erreichen werde, ist fraglich. Die wittern doch jetzt das große Geschäft.«
»Das ist total pervers«, warf Sarah ein.
Rolf zuckte mit den Schultern. »Pervers vielleicht, aber lukrativ.«
Cornelsen nickte. »Gut, dann an die Arbeit.«
Ganz in Gedanken verließ Falko in seinem Wagen das Präsidiumsgelände auf der Hude und bog rechts ab in Richtung Ortsausgang. Das Haus in Ochtmissen, das er sich gemeinsam mit Heike vor sechs Jahren gekauft hatte, lag in einem ruhigen Wohngebiet ganz am Ende einer Sackgasse. Laut Kriminalstatistik wurde in Häuser dieser Lage am wenigsten eingebrochen, und Falko hatte gehofft, diesen offiziellen Zahlen trauen zu können, als Heike und er sich damals zum Kauf entschieden hatten. Er fragte sich, was die Statistik wohl über Häuser wie die
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