Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
einen Grund dazu haben sollen?«
»Wollen Sie mir nicht erst mal sagen, weshalb Sie mich befragen wollen, und mich nicht auch gleich darauf hinweisen, dass ich meinen Anwalt hinzuziehen kann? Sie wollen doch mit mir als Beschuldigtem sprechen, oder nicht?«
Timo seufzte kaum vernehmlich. Das war’s. Sie würden nichts erfahren.
»Sie haben recht. Wir möchten Sie zu diversen Mordfällen in Düsseldorf befragen, außerdem zu einem Verbrechen hier in Lüneburg. Möchten Sie, dass wir Ihren Anwalt anrufen?«
»Ne, ich will, dass es vorbei ist.«
»Dass was vorbei ist? Sie müssen nichts dazu sagen.«
Langer machte eine wegwerfende Handbewegung. »Schon gut. Ich hab mal Jura studiert. Ist lange her.«
»Das wissen wir. Aber von heute auf morgen haben Sie Ihr Studium abgebrochen. Warum? Was brachte einen jungen Mann allen Ernstes dazu, sämtliche Pläne über Bord zu werfen und sich nur noch mit Drogen vollzupumpen?«, fragte Falko.
»Es war wegen Laura.« Langers Stimme war leise. Er presste die Lippen aufeinander. »Sie hat als Krankenschwester gearbeitet, die Kohle rangeschafft, während ich studiert habe. Dabei sollte es nicht bleiben. Der Plan war, dass erst ich mein Studium beende und sie das Geld verdient, danach andersherum. Sie wollte Ärztin werden.« Er lächelte. »Sie war blitzgescheit, wissen Sie. Eine absolute Superfrau. Hübsch, witzig. Sie hatte so einen trockenen Humor.« Er schluckte schwer. »Von unseren Eltern hatten wir nichts zu erwarten, wissen Sie. Wir hatten niemanden außer uns, nur uns. Erst ich, dann sie, das war der Plan«, wiederholte er.
»Was ist passiert?«
Langer schlug sich die Hände vors Gesicht, rieb sich die Augen, atmete laut ein und wieder aus. »Sie kam an jenem Abend nicht nach Hause.« Er ließ die Hände sinken. »Nach Hause. Ein Zuhause war es eigentlich nicht, nur eine Studentenbude. Aber sie roch nach ihr. Alles roch nach ihr.«
»Haben Sie eine Vermisstenanzeige aufgegeben?«
»Zuerst hab ich sie selbst gesucht. Sie ging nicht an ihr Handy, es schaltete sich immer nur die Mailbox ein. Ich hab im Krankenhaus angerufen. Laura hatte die Spätschicht übernommen und war länger geblieben, wie immer. Doch irgendwann war sie natürlich gegangen. Alles war wie immer, hatten ihre Kolleginnen gesagt.«
»Und dann?«
»Ich wurde panisch, hab die Polizei gerufen. Doch die wollten erst mal abwarten. Vierundzwanzig Stunden. Vielleicht sei sie bei einem Freund, hat der Typ mir gesagt.« Er brach ab, sah sich im Raum um. Cornelsen und Breitenbach tauschten einen kurzen Blick, in dem Falko seinem Kollegen bedeutete, ihn machen zu lassen. Langer wischte sich mit der Hand über den Arm. Er hatte wieder eine Gänsehaut. Falko hoffte inständig, dass sie nicht abbrechen müssten, weil die Entzugserscheinungen zurückkehrten. Andererseits konnte das so kurz nach der Verabreichung der Medikamente nicht sein. Also musste es daran liegen, worüber er sprach. »Alles in Ordnung? Soll ich die Schwester holen?«
»Schon gut. Ich will das jetzt loswerden.« Er fuhr sich durch die Haare, die ungepflegt wirkten. Er musste mal ein gutaussehender junger Mann gewesen sein, dachte Falko. Doch die Drogen hatten diesen Körper so ausgemergelt, dass er um Jahre älter wirkte.
»Was ist weiter geschehen, nachdem Ihre Verlobte nicht nach Hause kam?«
Langer fingerte an seiner Nase. »Ich bin die ganze Nacht durch die Straßen gelaufen, hab sie gesucht, ihren Namen gerufen. Ich wusste, dass was passiert sein musste.«
»Und als sie am nächsten Tag immer noch nicht aufgetaucht war, haben Sie die dortigen Kollegen erneut informiert?«
Langer nickte. »Ja, aber das war völlig egal. Keine Ahnung, wie oft ich denen gesagt habe, dass Laura und ich keinen Streit gehabt haben, dass sie keinen Grund hatte, einfach abzuhauen. Es kam immer die gleiche Leier.« Er verstellte seine Stimme, spitzte die Lippen. »Vielleicht ist Ihre Verlobte noch mit einer Freundin weg gewesen und es wurde später. Kann es sein, dass Ihre Verlobte jemanden kennengelernt hat, einen anderen Mann? Unserer Erfahrung nach tauchen vermisste Personen binnen weniger Tage wieder auf.«
»Doch sie tauchte nicht wieder auf?«
Langer schüttelte den Kopf. »Nein. Oder doch, sie tauchte wieder auf. Irgendwann haben sie ihre Leiche gefunden. Sie war monatelang gefangen gehalten und gequält worden. So lange, bis sie schließlich tot war. Aber Ihre feinen Kollegen haben nichts anderes getan, als eine Akte mit ihrem Foto anzulegen und
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