Sekundentod: Kriminalroman (German Edition)
und verschwand im Schwesternzimmer.
»In unserem Beruf bekommt man auch oft zu wenig Schlaf, wie Ihnen die Zeit verrät, zu der wir hier sind«, sagte Falko.
Der Arzt rang sich ein Lächeln ab. »Dann wissen Sie ja, wie das ist. Also, was kann ich für Sie tun?«
»Wir sind wegen Rafael Langer hier. Er wurde heute Nachmittag wegen des Verdachts auf Eigengefährdung eingewiesen.«
»Ja, ich kenne den Fall.« Dr. Holsten deutete mit der Hand auf eine kleine Sitzecke, die als Wartebereich diente. »Ich habe den Patienten am frühen Abend zuletzt besucht. Meiner Meinung nach müssen wir einen bevorstehenden Suizid nicht befürchten. Der Mann kämpft einfach mit Entzugserscheinungen. Er hat heftige Krämpfe. Wir waren gezwungen, ihn am Bett zu fixieren, um einen Tropf legen zu können. Soweit ich weiß, schläft er jetzt.«
»Dann müssen wir ihn eben wecken.« Timo Breitenbach sah den Arzt eindringlich an. »Wir wären nicht um diese Zeit hier, wenn es nicht wichtig wäre.«
»Ja, das denke ich mir. Ich werde der Nachtschwester Bescheid geben. Aber lassen Sie ihm bitte einen Moment Zeit, um wach werden zu können. Gerade bei einem Drogenentzug haben die Patienten einerseits mit starker Müdigkeit zu kämpfen und andererseits mit der mangelnden Fähigkeit, wieder Schlaf zu finden. Ich werde mich selbst darum kümmern. Also bitte, warten Sie hier.« Er stand auf und ging zum Schwesternzimmer hinüber, rief etwas hinein, bog um die Ecke und verschwand aus dem Sichtfeld der Polizisten. Es dauerte nicht lange, bis eine Frau zurückkehrte und Falko und Timo bat, ihr zu folgen.
Als sie das Zimmer betraten, erschrak Cornelsen kurz beim Anblick Rafael Langers. Er war an Händen und Füßen mit Riemen am Bett fixiert. Seit dem Mittag schien er noch mehr in sich zusammengefallen zu sein.
Der Arzt überprüfte den Tropf, schnippte ein paarmal mit dem Finger gegen die Plastikflasche. Dann machte er sich an dem Zugang zu schaffen, zog dem Patienten die Kanüle aus dem Arm. »So, Herr Langer, ich mache Ihnen das jetzt ab. Dann können wir auch die Riemen lösen, und Sie haben die Möglichkeit, es sich ein bisschen bequemer zu machen. Haben Sie Schmerzen?«
»Seit Sie mir diesen Kram in die Venen gehauen haben, ist es besser.«
Falko war erleichtert, war es doch der erste vollständige Satz, den er von Rafael Langer zu hören bekam.
»Wenn Sie später wieder Schmerzen bekommen sollten, kann ich Ihnen auch eine Spritze setzen. Doch das Medikament musste erst einmal ein bisschen Wirkung zeigen, damit es Ihnen bessergeht.« Der Arzt löste die Riemen, während er sprach. Die Krankenschwester nahm das Gestänge, an dem der leere Tropf baumelte und verließ damit den Raum. »So, Herr Langer, das hätten wir.«
»Danke.«
Cornelsen war überrascht und warf einen kurzen Blick auf seinen Kollegen. Timos Ausdruck zeigte die gleiche Regung. Beide hatten mit einem tobenden Patienten gerechnet, der sich verzweifelt und wütend gegen die Maßnahmen wehrte. Doch Rafael Langer schien akzeptiert zu haben, dass ihm tatsächlich geholfen werden sollte.
»Die beiden Polizeibeamten würden Ihnen gern einige Fragen stellen. Ich kann dabei sein, wenn Sie es wünschen. Ich unterliege in jedem Fall der Schweigepflicht. Wenn Sie sich jedoch in der Lage fühlen, allein mit den Herren zu sprechen, verlasse ich gern den Raum. Es ist Ihre Entscheidung, Herr Langer.«
»Wir kennen uns schon«, stellte Langer fest und deutete auf Cornelsen. »Die Leute sind in Ordnung. Sie können ruhig gehen«, sagte er an den Arzt gewandt.
Noch einmal war Falko durch die Reaktion überrascht, wollte sich dies jedoch nicht anmerken lassen. Timo und er nahmen sich jeweils einen Besucherstuhl und positionierten sich rechts und links vom Bett. Mit einem kurzen Kopfnicken verließ Dr. Holsten den Raum.
»Und?«, fragte Falko. »Geht’s Ihnen schon besser?«
»Ja. Ich muss Ihnen wohl dankbar sein, dass Sie mich haben herbringen lassen. Aber ich mache mir nichts vor. Ich bin nur deshalb ruhig, weil ich bis obenhin mit irgendwelchen Mitteln vollgepumpt bin. Doch wenigstens kann ich mal klar denken.« Leise fügte er hinzu. »Ist seit Monaten das erste Mal.«
»Können Sie sich noch erinnern, worüber wir heute Morgen gesprochen haben? Ach übrigens, mein Name ist Falko Cornelsen, und das ist mein Kollege Timo Breitenbach.«
»Ihren Namen hatte ich vergessen. Aber Sie haben mich fair behandelt, nicht wie ’n Stück Scheiße. Das weiß ich noch.«
»Hätten wir denn
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