Selbs Betrug
Bett. Brigitte kam, setzte sich auf den Rand und wollte wissen, was gestern eigentlich passiert war. Ich erzählte.
»Warum wolltest du Nägelsbach nicht sagen, wo das Mädchen steckt? Und warum nicht deinem Auftraggeber? Du bist ihr doch zu nichts verpflichtet.«
»Ich weiß nicht, warum die Polizei und Salger sie suchen. Das muß ich erst wissen. Mir hat das Mädchen nichts getan, und ich liefere sie nicht aus, nur um meine Ruhe zu haben und zehntausend Mark zu kriegen.«
Brigitte stand auf, holte einen Amaretto für sich und für mich einen Sambuca. Als sie wieder saß, fragte sie: »Darf ich dich was fragen?«
»Klar.« Ich lächelte aufmunternd, obwohl ich wußte, daß keine Frage kommen würde, sondern ein Vorwurf.
»Ich will dir nicht in deine Arbeit reinreden. Als du die letzten Monate keine Aufträge hattest – gut, dachte ich mir, das ist deine Angelegenheit und nicht meine. Manchmal habe ich mich gefragt, ob das überhaupt gehen würde, wenn du mich heiratest und ich noch Kinder kriege, ob das finanziell gehen würde. Aber das ist nicht der Punkt. Wie du das jetzt mit deinem Fall machst – ich habe auch sonst immer mehr das Gefühl, daß du erst Ruhe gibst, wenn du dich mit allen angelegt und zwischen alle Stühle gesetzt hast. Glücklich bist du dabei selbst nicht. Muß das so laufen? Ist das …«
»Das Alter? Möchtest du von mir wissen, ob ich aufs Alter starrsinnig und unleidlich werde?«
»Du wirst immer mehr ein Außenseiter. Das meine ich.«
Unter ihrem traurigen Blick konnte ich nicht in Ärger flüchten. Ich versuchte, ihr zu erklären, daß man nur von außen gut sieht. »Natürlich bin ich ein Außenseiter, schon von Berufs wegen. Vielleicht vergucke ich mich öfter, seit ich älter werde. Aber was soll ich machen? Und natürlich sitzt der Außenseiter manchmal zwischen allen Stühlen. Aber du würdest dich auch nicht auf jeden Stuhl setzen wollen.«
Brigitte sah mich schräg an. »Du bist trotzig, sonst gar nichts, einfach trotzig.«
27
Keine guten Karten?
Die Herren vom Bundeskriminalamt kamen am Morgen kurz nach acht. Bleckmeier, in grauem Anzug und beigem Mantel, war ein hagerer Griesgram. Rawitz trug eine Wildlederjacke über Polohemd und Leinenhose und spielte den netten kleinen Dicken. Seine Leutseligkeit war so aufgesetzt wie eine Pappnase. »Herr Doktor Selb?«
Die Anrede verhieß nichts Gutes. Als Staatsanwalt war ich auf meinen Doktortitel stolz, als Privatdetektiv finde ich ihn albern. Er steht nicht am Büro, nicht an der Wohnung, nicht im Telephonbuch und auf keinem Briefkopf. Wer mir mit »Herr Doktor« kommt, weiß über mich, was ihn nichts angeht. Ich bat die beiden Herren ins Wohnzimmer.
»Was führt Sie zu mir?«
Bleckmeier ergriff das Wort. »Wir hören, daß Sie bei der Arbeit an einem Fall über Frau Leonore Salger gewissermaßen gestolpert sind. Wir suchen Frau Salger. Wenn Sie …«
»Warum suchen Sie Frau Salger?«
»Das ist sozusagen eine heikle Frage. Ich würde …«
»Aber keineswegs heikel, keineswegs.« Rawitz unterbrach Bleckmeier, schaute zuerst ihn tadelnd und dann mich entschuldigend an. »Das Bundeskriminalamt bekämpft Straftäter, die sich international oder über das Gebiet eines Landes hinaus betätigen. Wir sind Anlaufstelle für die Landeskriminalämter und für Interpol. Wir nehmen auch polizeiliche Aufgaben auf dem Gebiet der Strafverfolgung wahr, besonders dann, wenn der Generalbundesanwalt einen entsprechenden Auftrag erteilt. Wir benachrichtigen dann natürlich sofort die zuständigen Landesbehörden.«
»Natürlich.«
Bleckmeier übernahm wieder. »Wir suchen Frau Salger also gewissermaßen von Amts wegen. Wir wissen, daß sie im Psychiatrischen Landeskrankenhaus war, von Dr. Rudolf Wendt betreut wurde und vor wenigen Wochen verschwunden ist. Sie wissen, wohin.«
»Haben Sie mit Dr. Wendt gesprochen?«
»Er berief sich auf die ärztliche Schweigepflicht und lehnte jede Kooperation mit uns ab. Wir waren nicht überrascht. Dr. Wendt ist sozusagen kein unbeschriebenes Blatt.«
»Haben Sie ihm den Grund Ihrer Ermittlungen gegen Frau Salger genannt?«
»Herr Dr. Selb«, Rawitz schaltete sich ein. »Wir wollen uns doch nicht falsch verstehen. Als ehemaliger Staatsanwalt sind Sie ein alter Hase. Was sollen wir Ihnen sagen? Wir können Ihnen nur sagen, was wir Ihnen sagen können, und wenn andererseits Sie uns sagen, was Sie wissen, dann läuft die Sache.« Er saß mir gegenüber und beugte sich bei den letzten Worten doch
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