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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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Bundeskriminalamt und vom Generalbundesanwalt Aufsehen vermeiden wollten, und wo geschossen wird, gibt’s Lärm.
    »Wir sehen uns wieder.« Rawitz stand auf, und Bleckmeier tat es ihm gleich. Ich brachte die beiden zur Tür und wünschte ihnen einen guten Tag. Sozusagen.

28
Psychotherapeutentrick
    Ich rief im Psychiatrischen Landeskrankenhaus an. Ich bekam Wendt zwar nicht an den Apparat, erfuhr aber, daß er Dienst hatte. Also machte ich mich auf den Weg. Der Aprilwind jagte graue Wolken über den blauen Himmel. Manchmal taten sich ein paar zu kurzen Schauern zusammen. Dann glänzte der nasse Asphalt wieder in der Sonne.
    Wendt war in Eile. »Sie schon wieder? Ich muß rüber auf die andere Station.«
    »Waren sie schon bei Ihnen?«
    »Wer?« Ich war ihm lästig, und zugleich war er neugierig. Er stand eigentümlich verdreht, die Beine zum Gehen bereit, den Kopf mir zugewandt und die Hand auf dem Türgriff.
    »Die Herren vom Bundeskriminalamt und Leos großer Bruder.«
    »Leos Vater, Leos Bruder – was für Verwandte zaubern Sie denn noch aus dem Hut?« Er tat überlegen. Aber es klang nicht echt.
    »Er ist nicht Leos großer Bruder. Er fühlt sich nur so. Er will wissen, wo sie ist.«
    Er öffnete die Tür. »Ich muß jetzt wirklich rüber.«
    »Die vom Bundeskriminalamt haben nur schlechte Manieren. Leos brüderlicher Freund hat eine Pistole mit Schalldämpfer. Und schlägt zu. Wenn er mehr Zeit mit mir gehabt hätte, hätte er vielleicht aus mir rausgeprügelt, wo Leo ist.«
    Er ließ den Türgriff los und wandte sich mir zu. Seine Augen tasteten mein Gesicht ab, als könnten sie, was er von mir wissen wollte, auf der Stirn, um die Nase oder im Kinn lesen. Er war überfordert. »Haben Sie … Wissen Sie …«
    »Nein, ich habe ihm nicht gesagt, wo Leo ist. Auch nicht denen vom Bundeskriminalamt. Aber ich muß mit Ihnen reden. Was hat Leo getan? Warum wird sie gesucht?«
    Er setzte ein paarmal zum Reden an, machte den Mund auf und wieder zu. Dann gab er sich einen Ruck. »Ich habe bis Mittag Dienst. Treffen Sie mich um eins im Gasthaus unten an der großen Straße.« Er ging mit raschen Schritten den Gang hinunter.
    Kurz vor eins saß ich an einem der wachstuchbespannten Tische im Wirtshausgarten. Ich hatte die Tür zur Straße und zur Wirtsstube im Blick, aber es kam weder durch diese der Kellner noch durch jene Wendt. Ich war der einzige Gast. Ich betrachtete das Wachstuch, zählte die Karos und sah den Tropfen vom letzten Regen beim Trocknen zu.
    Um halb zwei kam ein gutes Dutzend junger Frauen. Sie stellten die Fahrräder ab, setzten sich an den langen Nebentisch und bestellten mit viel Hallo bei einem schlurfenden Kellner, der mißmutig auch meine Bestellung aufnahm. Als sie das Bier oder die Schorle vor sich hatten, wurden sie noch munterer. »Gehen wir heute noch kegeln?«
    »Aber ohne die Männer!« Natürlich war keine wie die andere, gleichwohl sahen alle gleich aus. Alle ein bißchen modisch, ein bißchen sportlich, ein bißchen berufstätig, ein bißchen Hausfrau, ein bißchen Mutti. Ich stellte sie mir’ in ihren Ehen vor. Sie bleiben ihren Männern treu, wie man seinem Auto treu bleibt. Mit ihren Kindern sind sie patent und fröhlich. Gelegentlich haben sie Angst im schrillen Lachen. So, wie wir Deutsche unsere Ehen führen, wundert’s mich nicht, daß wir keine Revolution gemacht haben.
    Um zwei war mein Wurstsalat gegessen und meine Apfelschorle getrunken. Von Wendt fehlte jede Spur. Ich fuhr wieder ins Landeskrankenhaus. Dort war er gegen eins gegangen. Ich klopfte bei Eberlein an.
    »Herein!« Er stand im weißen Kittel am Fenster, hatte in den Park gesehen und wandte sich mir zu.
    »Erst verschwinden Ihre Patienten, dann Ihre Ärzte.« Ich berichtete von meiner geplatzten Verabredung mit Wendt. »Hatten Sie dieser Tage Besuch von zwei Herren vom Bundeskriminalamt? Und war sonst noch jemand bei Ihnen? Groß, breit, Mitte vierzig, könnte alles vom Bankier bis zum Pastor sein, vielleicht mit verspiegelter Sonnenbrille? Wollte was über Ihre ehemalige Patientin Leonore Salger wissen, über Dr. Wendt oder über beide?«
    Eberlein ließ sich wieder Zeit. Ich glaube, das ist ein Psychotherapeutentrick, der den anderen nervös machen soll. Aber diesmal war da noch etwas anderes. Eberlein wirkte besorgt. Zwischen den Brauen stand eine steile, scharfe Falte, die ich noch nicht kannte, und ab und zu klopfte er ungeduldig, unwillig mit dem Stock auf den Boden. »Für wen arbeiten Sie eigentlich, Herr

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