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Selbs Betrug

Selbs Betrug

Titel: Selbs Betrug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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kassieren wollten.

25
Komisch
    Ich rief Nägelsbach nicht an. Ich fuhr zu Brigitte, fand sie mit Peschkalek und Manu bei Schokolade, Espresso und Sambuca und über einer Partie ›Risiko‹. Ich tat mich nicht leicht mit ihrer Fröhlichkeit. Aber wegen langer Autobahnfahrt wurde mir Müdigkeit konzediert. Ich schaute beim Spiel zu und aß die Reste auf.
    Es ging heiß her. Nachdem er jahrelang in Rio gelebt hat, erobert und verteidigt Manu Südamerika um jeden Preis. Zur Sicherung Südamerikas versucht er, Nordamerika und Afrika zu besetzen, sonst ist ihm die Welt egal. Brigitte spielt ›Risiko‹ zwar mit, weil sie kein Spielverderber sein will. Aber wenn sie Australien hält, phantasiert sie ihr harmonisches Zusammenleben mit den Aborigines und ist an weiteren Eroberungen nicht interessiert. So konnte Peschkalek mühelos Europa und Asien einnehmen. Aber seine Aufgabe war, Australien und Südamerika zu befreien, und anders als Brigitte und Manu nahm er seine Aufgabe ernst, verstrickte sich in einen heillosen Zweifrontenkrieg und gab erst Ruhe, als er von Manu und Brigitte vernichtend geschlagen war. Sie freuten sich, und er lachte mit. Aber es wurmte ihn. Er war kein guter Verlierer.
    »Zeit fürs Bett!« Brigitte klatschte in die Hände.
    »Nein, nein, nein.« Manu war aufgedreht, rannte vom Wohnzimmer in die Küche, von der Küche ins Wohnzimmer und schaltete den Fernsehapparat an. Jugoslawien brach auseinander. Rostock war bankrott. Ein Baby, in Lüdenscheid aus dem Krankenhaus entführt, wurde in Leverkusen in einer Telephonzelle gefunden. Der Franzose Marcel Croust besiegte den Russen Viktor Krempel im Kandidatenturnier in Manila und etablierte sich als Herausforderer des Schachweltmeisters. Die Bundesanwaltschaft meldete, daß die mutmaßlichen Terroristen Helmut Lemke und Leo Salger in einem Dorf in Spanien verhaftet worden seien und nach Deutschland überstellt würden. Das Fernsehen zeigte, wie sie mit gefesselten Händen von Polizisten mit schwarzgelackten Hüten zu einem Hubschrauber geführt wurden.
    »Ist das nicht …«
    »Ja.«
    Brigitte kannte Leo von dem Photo, das auf meinem Schreibtisch am Löwen gelehnt hatte. Sie schüttelte den Kopf. Mit ungewaschenem, strähnigem Haar, übernächtigtem Gesicht und schmuddeligem kariertem Hemd fand Leo nicht ihre Billigung.
    »Wirst du sie wiedersehen?« Sie fragte ganz angelegentlich. Schon als ich ihr von der Fahrt mit Leo nach Locarno erzählt habe, hat sie nicht viel Aufhebens davon gemacht. Auch damals habe ich ihr nicht geglaubt.
    »Ich weiß nicht.«
    Peschkalek schaute wortlos auf den Fernsehschirm. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Als die Nachrichten gelaufen waren, räusperte er sich. »Phantastisch, was die europäische Zusammenarbeit der Polizei heute leistet.« Er wandte sich mir zu und holte zu einem kleinen Vortrag über Interpol, das Schengener Abkommen, das Europäische Kriminalamt und Kommissar Computer aus.
    »Du wirst versuchen, an die beiden ranzukommen …«
    »Sollte ich wohl, oder?«
    »… und willst sie überreden, die Rolle zu spielen, die ich nicht spielen wollte?«
    Er überlegte, was ich auf welche Antwort als nächstes fragen würde, war sich nicht sicher und wich aus. »Muß mal sehen.«
    »Was hast du ihnen zu bieten?«
    »Ich verstehe nicht.« Ihm wurde ungemütlich.
    »Nun, die Bundesanwaltschaft kann Anklagepunkte fallenlassen, niedrigere Strafen beantragen, Begnadigungen befürworten, um den Käfertal-Anschlag zu retten. Was kannst du bieten? Geld?«
    »Ich und Geld?«
    »Für eine gute Reportage gibt’s doch auch ein gutes Geld, oder?«
    »Das ist alles nicht so toll.« Er stand auf. »Ich muß los.«
    »Nicht so toll? Da sollten doch Hunderttausende drin sein und mit den richtigen Photos und echten Texten noch mehr. Wie wär’s mit einer Million?«
    Er sah mich irritiert an. Er hätte gerne gewußt, ob ich nur so drauflos geredet hatte oder ihm etwas bedeuten wollte. Der Fluchtinstinkt siegte. »Also dann.«
    Brigitte hatte uns irritiert zugehört. Als Peschkalek gegangen war, nach Kuß links und Kuß rechts, wollte sie von mir wissen, was los sei. »Habt ihr Streit?« Ich wich aus. Dann lagen wir im Bett, sie legte ihren Kopf auf meinen Arm und sah mich an.
    »Du?«
    »Was ist?«
    »War das der Preis dafür, daß sie dich aus dem Gefängnis gelassen haben? Hast du ihnen gesagt, wo die beiden zu finden sind?«
    »Um Gottes willen …«
    »Ich find’s in Ordnung. Das Mädchen kenne ich nicht weiter, aber sie zieht

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