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Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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Jahre meiner Witwerschaft als zweiten Frühling erlebt. Aber ein zweiter Frühling voller Romantik – Philipps Bonvivanterie war mir fremd.
    »Falsch, Philipp. Im Döschen ist ein bißchen Lackstaub mit was dran, und ich muß wissen, ob das Blut ist, wenn’s geht mit Blutgruppe. Und das stammt nicht etwa von einer Defloration auf meiner Kühlerhaube, wie du schon wieder denkst, sondern aus einem Fall, den ich bearbeite.«
    »Das muß sich doch nicht ausschließen. Aber wie auch immer, ich veranlasse das schon. Ist es eilig? Willst du drauf warten?«
    »Nein, ich ruf morgen wieder an. Wie ist’s übrigens, gehen wir mal wieder einen Wein trinken?«
    Wir verabredeten uns für Sonntag abend in den ›Badischen Weinstuben‹. Als wir zusammen aus der Kantine kamen, rannte er plötzlich los. Eine fernöstliche Schwesternhelferin war in den Lift getreten. Er schaffte es noch, ehe die Tür sich schloß.
    Im Büro tat ich, was ich schon lange hätte tun sollen. Ich rief in Firners Büro an, wechselte mit Frau Buchendorff ein paar Worte und ließ mich mit Firner verbinden.
    »Grüß Sie, Herr Selb. Was steht an?«
    »Ich möchte mich sehr für den Korb bedanken, der mich bei der Rückkehr aus dem Urlaub erwartet hat.«
    »Ah, Sie waren im Urlaub. Wo ist es denn hingegangen?«
    Ich erzählte ihm von der Ägäis, von der Jacht, und daß ich in Piräus ein Schiff voll mit RCW -Containern gesehen hatte. Er war als Student mit dem Rucksack durch den Peloponnes gewandert und hatte jetzt gelegentlich dienstlich in Griechenland zu tun. »Wir versiegeln die Akropolis gegen die Erosion, ein Unesco-Projekt.«
    »Sagen Sie, Herr Firner, wie ist mein Fall weitergegangen?«
    »Wir sind Ihrem Rat gefolgt und haben die Emissionsdatenaufzeichnung von unserem System abgekoppelt. Wir haben das gleich nach Ihrem Bericht gemacht und seitdem auch keinerlei Ärger mehr gehabt.«
    »Und was haben Sie mit Mischkey gemacht?«
    »Wir haben ihn vor ein paar Wochen einen Tag lang hier gehabt, und er hatte uns eine Menge zu sagen über die Systemzusammenhänge, Einbruchstellen und Sicherungsmöglichkeiten. Fähiger Mann das.«
    »Die Polizei haben Sie nicht eingeschaltet?«
    »Das erschien uns letztlich nicht opportun. Von der Polizei geht es an die Presse – auf diese Art Publicity legen wir keinen Wert.«
    »Und der Schaden?«
    »Auch das haben wir überlegt. Wenn es Sie interessiert: Einige unserer Herren fanden es zunächst unerträglich, Mischkey einfach laufenzulassen, nachdem sich der von ihm verursachte Schaden auf fünf Millionen hochrechnen läßt. Aber am Ende hat sich zum Glück die ökonomische Vernunft gegen den juristischen Standpunkt durchgesetzt. Auch gegen die juristische Überlegung von Oelmüller und Ostenteich, die den Fall Mischkey im Prozeß vor dem Bundesverfassungsgericht vortragen wollten. Das war nicht dumm gedacht; vor dem Bundesverfassungsgericht sollte am Fall Mischkey demonstriert werden, welchen Gefährdungen die Unternehmen durch die neue Emissionsregelung ausgesetzt sind. Aber auch das hätte unerwünschte Publicity gebracht. Außerdem hören wir aus dem Wirtschaftsministerium von Signalen aus Karlsruhe, nach denen ein weiterer Vortrag unsererseits nicht mehr nötig ist.«
    »Also Ende gut, alles gut.«
    »Das würde mir etwas zynisch klingen, nachdem zu erfahren war, daß Mischkey das Opfer eines Autounfalls geworden ist. Aber Sie haben recht, für das Werk hat die Sache alles in allem ein gutes Ende genommen. Sehen wir Sie mal wieder hier? Ich wußte gar nicht, daß der General und Sie so alte Freunde sind, er hat davon erzählt, als meine Frau und ich unlängst den Abend in seinem Haus verbracht haben. Sie kennen sein Haus an der Ludolf-Krehl-Straße?«
    Ich kannte Kortens Haus in Heidelberg, eines der ersten, das in den späten fünfziger Jahren auch unter Gesichtspunkten des Personen- und Objektschutzes gebaut worden war. Ich erinnere mich noch daran, wie mir Korten eines Abends mit Stolz das Drahtseilbähnchen vorführte, das sein am steilen Hang hoch über der Straße liegendes Haus mit dem Eingangstor verbindet. »Falls der Strom ausfällt, fährt es über mein Notstromaggregat.«
    Firner und ich verabschiedeten uns mit ein paar Artigkeiten. Es war vier Uhr, zu spät, um das versäumte Mittagessen nachzuholen, zu früh, um schon Abend zu essen. Ich ging ins Herschelbad.
    Die Sauna war leer. Ich schwitzte allein, schwamm allein unter der hohen Kuppel mit ihren byzantinischen Mosaiken, fand mich allein im

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