Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
Vom Netzwerk:
dem roten Escort scheinen gering und leicht zu reparieren gewesen zu sein. Sagen Sie, Herr Gremlich, hatte man Ihnen Ihr Auto vor drei Wochen gestohlen, oder hatten Sie es verliehen?«
    »Nein, natürlich nicht, was reden Sie für einen Unsinn.«
    »Es hätte mich auch gewundert. Sie wissen doch sicher, daß man bei einem Mord immer fragt, wem nützt’s? Was meinen Sie, Herr Gremlich, wem nützt Mischkeys Tod?«
    Er schnaubte verächtlich.
    »Dann lassen Sie mich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen. Nein, nein, werden Sie nicht ungeduldig, es ist eine interessante kleine Geschichte. Sie wollen sich noch immer nicht setzen? Also, es waren mal ein großes Chemiewerk und ein regionales Rechenzentrum, das dem Chemiewerk auf die Finger schauen sollte. Das Chemiewerk hatte ein Interesse daran, daß ihm nicht zu genau auf die Finger gesehen wurde. Im regionalen Rechenzentrum waren für die Kontrolle des Chemiewerks zwei Leute entscheidend. Für das Chemiewerk ging es um viel, viel Geld. Wenn es doch nur einen Kontrolleur kaufen könnte! Was würde es nicht dafür geben! Aber es würde nur einen kaufen, weil es nur einen brauchte. Es sondiert bei beiden. Wenig später ist der eine tot, und der andere zahlt seinen Kredit zurück. Wollen Sie wissen, wie hoch der Kredit war?«
    Jetzt setzte er sich. Um diesen Fehler gutzumachen, gab er sich empört. »Es ist ungeheuerlich, was Sie da nicht nur mir, sondern einem unserer traditionsreichsten und renommiertesten Chemieunternehmen andichten. An die sollte ich das am besten weitergeben; die können sich besser wehren als ich kleiner BAT -Angestellter.«
    »Das will ich gerne glauben, daß Sie am liebsten zu den RCW laufen möchten. Aber im Moment spielt die Geschichte ausschließlich zwischen Ihnen, der Polizei und mir und meinem Zeugen. Dabei wird die Polizei interessieren, wo Sie damals waren, und wie die meisten werden auch Sie drei Wochen post festum kein solides Alibi vorzuweisen haben.«
    Wenn es den Besuch zusammen mit seiner armen Frau und seinen zweifellos ekligen Kindern bei den Schwiegereltern gegeben hätte, wäre Gremlich jetzt damit gekommen. Statt dessen sagte er: »Es kann gar keinen Zeugen geben, der mich dort gesehen hat, weil ich dort nicht war.«
    Ich hatte ihn, wo ich ihn haben wollte. Ich fühlte mich nicht fairer als gestern bei Fred, aber genauso gut. »Richtig, Herr Gremlich, es gibt auch keinen Zeugen, der Sie dort gesehen hat. Aber ich habe jemanden, der sagen wird, daß er Sie dort gesehen hat. Und was meinen Sie, was dann passiert: Die Polizei hat einen Toten, eine Tat, einen Täter, einen Zeugen und ein Motiv. Da mag der Zeuge in der Gerichtsverhandlung schließlich zusammenbrechen, aber bis dahin sind Sie längst kaputt. Ich weiß nicht, was es für Bestechlichkeit heute gibt, aber dazu kommen die Untersuchungshaft wegen Mord, die Suspendierung vom Dienst, die Schande für Frau und Kinder, die soziale Ächtung.«
    Gremlich war blaß geworden. »Was soll das? Warum machen Sie das mit mir? Was habe ich Ihnen getan?«
    »Es gefällt mir nicht, wie Sie sich haben kaufen lassen. Ich kann Sie nicht leiden. Außerdem möchte ich was von Ihnen wissen. Und wenn ich Sie nicht ruinieren soll, dann spielen Sie besser mein Spiel mit.«
    »Was wollen Sie von mir?«
    »Wann haben die RCW Sie erstmals kontaktiert? Wer hat Sie angeworben, und wer ist sozusagen Ihr Führungsoffizier? Wieviel haben Sie von den RCW bekommen?«
    Er erzählte alles, vom ersten Kontakt, den Thomas nach Mischkeys Tod mit ihm aufgenommen hatte, von den Verhandlungen über Leistung und Löhnung, von den Programmen, die er sich teils erst ausgedacht, teils schon verwirklicht hatte. Und er erzählte von dem Koffer mit den neuen Scheinen.
    »Bescheuert ist nur, daß ich, statt meinen Kredit damit langsam zurückzuzahlen, ohne Verdacht zu erregen, gleich auf die Bank gegangen bin. Ich wollte Zinsen sparen.« Er holte ein Taschentuch heraus, um sich den Schweiß abzuwischen, und ich fragte ihn, was er über Mischkeys Tod wisse.
    »Soweit ich’s mitgekriegt habe, wollten die ihn unter Druck setzen, nachdem Sie ihn überführt hatten. Sie wollten die Kooperation, für die sie mich jetzt zahlen, umsonst haben und dafür die Sache mit Mischkeys Einbrüchen ins System auf sich beruhen lassen. Als er tot war, waren sie damit eher unzufrieden, weil sie dann zahlen mußten. Eben mich.«
    Er hätte noch ewig weitererzählen können, sich wahrscheinlich auch noch gerne gerechtfertigt. Ich hatte genug

Weitere Kostenlose Bücher