Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Selbs Justiz

Selbs Justiz

Titel: Selbs Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Schlink , Walter Popp
Vom Netzwerk:
durchgesetzt. Auch gegen die juristische Überlegung von Oelmüller und Ostenteich, die den Fall Mischkey im Prozeß vor dem Bundesverfassungsgericht vortragen wollten. Das war nicht dumm gedacht; vor dem Bundesverfassungsgericht sollte am Fall Mischkey demonstriert werden, welchen Gefährdungen die Unternehmen durch die neue Emissionsregelung ausgesetzt sind. Aber auch das hätte unerwünschte Publicity gebracht. Außerdem hören wir aus dem Wirt-schaftsministerium von Signalen aus Karlsruhe, nach denen ein weiterer Vortrag unsererseits nicht mehr nö-
    tig ist.«
    »Also Ende gut, alles gut.«
    »Das würde mir etwas zynisch klingen, nachdem zu erfahren war, daß Mischkey das Opfer eines Autoun-falls geworden ist. Aber Sie haben recht, für das Werk hat die Sache alles in allem ein gutes Ende genommen.
    Sehen wir Sie mal wieder hier? Ich wußte gar nicht, daß der General und Sie so alte Freunde sind, er hat davon erzählt, als meine Frau und ich unlängst den Abend in seinem Haus verbracht haben. Sie kennen sein Haus an der Ludolf-Krehl-Straße?«
    Ich kannte Kortens Haus in Heidelberg, eines der ersten, das in den späten fünfziger Jahren auch unter Gesichtspunkten des Personen- und Objektschutzes gebaut worden war. Ich erinnere mich noch daran, wie mir Korten eines Abends mit Stolz das Drahtseilbähn-139
    chen vorführte, das sein am steilen Hang hoch über der Straße liegendes Haus mit dem Eingangstor verbindet.
    »Falls der Strom ausfällt, fährt es über mein Notstrom-aggregat.«
    Firner und ich verabschiedeten uns mit ein paar Ar-tigkeiten. Es war vier Uhr, zu spät, um das versäumte Mittagessen nachzuholen, zu früh, um schon Abend zu essen. Ich ging ins Herschelbad.
    Die Sauna war leer. Ich schwitzte allein, schwamm allein unter der hohen Kuppel mit ihren byzantini-schen Mosaiken, fand mich allein im irisch-römischen Dampfbad und auf der Dachterrasse. In das große weiße Laken gehüllt, schlief ich in der Ruhehalle auf meinem Liegestuhl ein. Philipp fuhr Rollschuh durch lange Krankenhauskorridore. Die Säulen, an denen er vorbeifuhr, waren wohlgeformte Frauenbeine. Manchmal bewegten sie sich. Philipp wich ihnen mit lachen-dem Gesicht aus. Ich lachte ihm entgegen. Da sah ich plötzlich, daß es ein Schrei war, der sein Gesicht aufriß. Ich wachte auf und dachte an Mischkey.
    140
    5
    Ach Gott, was beißt schon gut
    Der Inhaber des ›Café O‹ hat seine Persönlichkeit in einer Einrichtung verwirklicht, die alles vereint, was Ende der siebziger Jahre modisch war, von den nachgemach-ten Finde-siècle-Lampen über die handbetriebene Oran-gensaftpresse bis zu den Bistro-Tischchen mit den mar-mornen Platten. Ich möchte ihn nicht kennenlernen.
    Frau Mügler, die Tänzerin, erkannte ich an ihrem streng nach hinten gekämmten, in einem kleinen Pfer-deschwanz endenden schwarzen Haar, ihrer knochigen Weiblichkeit und ihrem eigentlichen Blick.
    Soweit sie wie Pina Bausch aussehen konnte, hatte sie es geschafft. Sie saß am Fenster und trank ein Glas handgepreßten Orangensaft.
    »Selb. Wir haben gestern miteinander telephoniert.«
    Sie sah mich mit hochgezogener Braue an und nickte kaum merklich. Ich setzte mich zu ihr. »Nett, daß Sie sich Zeit nehmen. Meine Versicherung hat zu dem Unfall von Herrn Mencke noch einige Fragen, die seine Kollegen vielleicht beantworten können.«
    »Wieso kommen Sie gerade auf mich? Ich kenne Sergej nicht besonders gut, bin noch nicht lange dabei hier in Mannheim.«
    141
    »Sie sind einfach die erste, die wieder aus den Ferien zurück ist. Sagen Sie, hat Herr Mencke in den letzten Wochen vor dem Unfall einen besonders erschöpften, nervösen Eindruck gemacht? Wir suchen nach einer Erklärung für den befremdlichen Unfallhergang.«
    Ich bestellte einen Kaffee, sie nahm noch einen Orangensaft.
    »Ich habe Ihnen schon gesagt, ich kenne ihn nicht gut.«
    »Ist Ihnen etwas aufgefallen?«
    »Er war sehr still, wirkte manchmal bedrückt, aber was heißt schon aufgefallen? Vielleicht ist er immer so, ich bin ja erst ein halbes Jahr dabei.«
    »Wissen Sie, wer aus dem Mannheimer Ballett ihn besonders gut kennt?«
    »Die Hanne war mal näher mit ihm befreundet, soviel ich weiß. Und mit Joschka ist er viel zusammen, glaube ich. Vielleicht können die Ihnen weiterhelfen.«
    »War Herr Mencke ein guter Tänzer?«
    »Ach Gott, was heißt schon gut. War kein Nurejew, aber ich bin auch keine Bausch. Sind Sie gut?«
    Ich bin kein Pinkerton, hätte ich sagen können. Ich bin kein Gerling,

Weitere Kostenlose Bücher